Der Gourmet-Chili aus dem französischen Baskenland
Bei Frankreich denkt man zwar sofort an raffinierte Küche und frische Zutaten, aber nicht unbedingt an den Piment Chili .
Zu Unrecht, denn im französischen Baskenland am Rande der Pyrenäen und unweit der spanischen Grenze gibt es eine Region, die nicht nur ihre ureigene Chili-Sorte hat, sondern sie auch zelebriert und ausgiebig damit kocht: Espelette. Lesen Sie alles darüber in unserem dreiteiligen Bericht, wir haben vor Ort für Sie recherchiert.
„Bestens gelungene Variation vom Mecklenburger Lamm, wohl abgestimmt gewürzt mit Zitronenthymian und Piment d’Espelette“. So schwärmte einmal der stellvertretende Chefredakteur der Zeitschrift Der Feinschmecker in der Welt am Sonntag über ein Essen in einem vornehmen Hamburger Restaurant. Piment d’Espelette ist in der Tat in der Spitzengastronomie der Welt zuhause. Vor allem aber in seiner baskischen Heimat ist er ein unverzichtbares Gewürz, und ebenso für unzählige Hobbyköche, wenn sie einmal davon probiert haben. Wir konnten uns persönlich vor Ort die Herstellung des berühmten Piment d‘ Espelette vom Anbau über die Ernte bis hin zur Trocknung und Vermahlung anschauen und lernten Espelette-Bauern, Produzenten und Köche kennen.
Aus diesen Chilis entsteht das berühmte Pulver
Piment d‘ Espelette, AOC-Qualitätssiegel *
Der botanische Name der Chili-Sorte, aus der Piment d’Espelette hergestellt wird, lautet „Capsicum annum L. var. Gorria“ (gorria ist das baskische Wort für rot). Sie wird größtenteils getrocknet und zu dem berühmten Pulver vermahlen. Dieses ist etwas milder als Cayenne, aber noch aromatischer, mit einer fruchtig-süßen und zugleich leicht rauchigen Note. Er würzt eine ganze Reihe baskischer Fisch- und Fleisch-Spezialitäten, um deren Geschmack zu heben. Die leckeren Chilis werden aber auch zu Konfitüre und Püree verarbeitet, und man bekommt sie im Ganzen eingelegt. Mit dem Saft der Espelette-Chilis wird sogar ein pikantes Gelee hergestellt. Werfen wir aber zunächst ein Blick auf die Herkunft dieser edlen Chili-Sorte.
* Das „AOC“ im Logo wurde ab 1/2012 (also ab 2011er Ernte) durch „AOP“ (Appellation d’Origine Protégée) ersetzt.
Geschichte des Piment d’Espelette
Die Pflanzen, aus denen Piment d’Espelette hervorging, gelangten aus Mexiko ins Nive-Tal im französischen Baskenland. Der Überlieferung zufolge stammen sie von einem baskischen Seemann, der Christoph Kolumbus auf seinen Reisen begleitete. Er hatte hier bereits Mais eingeführt, und es wird angenommen, dass er einer Ladung auch Chilischoten beigefügte.
Das Klima im Baskenland war ideal für die „Piment“-Pflanze, und diverse Bauern begannen mit ihrem Anbau. Zunächst wurden die feurigen Früchte zu medizinischen Zwecken genutzt.
In Espelette wurden sie ab etwa 1650 angebaut. Schon bald erkannte man hier, dass sich die scharfen Schoten auch hervorragend zum Würzen und als schmackhafte Beilage eigneten.
Im 17 Jahrhundert wurde in Europa Schokolade populär, als Nascherei, und auch als Getränk. Womöglich durch Montezuma’s scharfen Kakaotrunk inspiriert (siehe Beitrag Chilis & Schokolade), mixten Chocolatiers in Bayonne nun Schokolade mit Piment d’Espelette (in Bayonne, unweit von Espelette, wurde in Frankreich erstmals Schokolade hergestellt).
Zudem entdeckte man, dass sie bei der Konservierung von Fleisch, insbesondere Schinken und Wurst, hilfreich waren. Schinken, der mit dem roten Chilipulver eingerieben ist, findet man noch heute überall rund um Espelette, ebenso pikante luftgetrocknete Wurst.
Auch in Pasteten und Fischspezialitäten ersetzen die baskischen Köche den schwarzen Pfeffer immer mehr durch den „Espelette-Pfeffer“.
Durch Saat-Selektion entstand die Sorte „Gorria“, die den heutigen Piment d’Espelette repräsentiert, der ausschließlich in der westlich vom Atlantik und östlich von Bergen eingeschlossenen Region angebaut wird. Botanisch gehört die Sorte zur grossen Familie Capsicum annuum.
Die Pflanze entwickelt sich gut in den leicht säurehaltigen Böden mit guter Dränage, denn zuviel Feuchtigkeit in der Erde würde Krankheiten begünstigen. Die Schoten von Piment d‘ Espelette werden 7 bis 14 cm lang. Sie sind etwas gedrungen, haben eine konische Form und eine leicht abgerundete Spitze. Abgereift haben die Schoten ein leuchtendes Zinnoberrot; im getrockneten Zustand wechselt die Farbe zu einem dunklen Rotbraun.
Mit der steigenden Beliebtheit wächst auch die Zahl der gezogenen Pflanzen: Wurden 1997 rund 200.0000 Setzlinge von Piment d’Espelette kultiviert, waren es im Jahre 2000 bereits doppelt soviel! Entsprechend wuchs die Anbaufläche von 8,1 ha (1997) auf 23,5 ha (2000). Auch die Anzahl der zertifizierten Anbauer steigt stetig (mehr dazu weiter unten). Die durchschnittliche Fläche pro Betrieb beträgt 1 ha.
Von der Saat bis zum Pulver
Ab 15. Februar wird die Saat in Trögen mit Anzuchterde ausgesät. Die Sämlinge werden dann pikiert und im Gewächshaus vorgezogen. In der Region um Espelette wäre es ihnen um diese Jahreszeit draußen noch zu kalt, denn die optimale Keimtemperatur beträgt 20 bis 26° C.
Ab 1. Mai sind keine Fröste mehr zu erwarten; dann erfolgt das Auspflanzen in die Felder, die zuvor mit organischem Dünger wie pflanzlichem Kompost aufbereitet wurden.
Espelette-Pflanzen und -Blüte
Die ersten Blüten zeigen sich Mitte Juni. Bis dahin waren die Chili-Bauern fleißig – per Hand haben Sie das Unkraut zwischen den Pflanzen entfernt und Stützpfosten eingeschlagen.
Hier noch ein Detail für heimische Chiligärtner: Die Pflanzen sind zweireihig versetzt gepflanzt und mit Plastikmulch abgedeckt. Dies hält Wärme und Feuchtigkeit im Boden und unterdrückt Unkraut. Die Gießlöcher um die Stämme sind zum weiteren Unkrautschutz mit Pressfaserscheiben abgedeckt. Entlang der ca. alle 2 m eingeschlagenen Vierkanthölzer sind in Höhe der Verzweigung links und rechts der Stämme Schnüre gespannt, deren Abstand durch die Holzstärke vorgegeben ist; das gibt den Pflanzen Halt. Kunststoffclips auf den Schnüren verhindern seitliches Kippen unter der Last der Früchte.
Die Schoten sind zunächst grün. Haben sie ihre endgültige Länge von 7 bis 14 cm erreicht, bekommen sie allmählich ihre signalrote Farbe, für die Piment d’Espelette weithin bekannt ist.
Die Ernte beginnt im August, wenn die Oberfläche der Schoten wenigstens zu 80% rot ist. Sie geschieht ebenfalls grundsätzlich von Hand und zieht sich vom Spätsommer bis zu den ersten Herbstfrösten hin. Die frostfreie Zeit von ca. Mitte April bis Anfang November erlaubt eine Vegetationsperiode von 7-8 Monaten. Spätestens aber am 1. Dezember ist Schluss.
Nach der Ernte werden die Chilis vorsortiert. Die hinsichtlich Form und Farbe perfekten Schoten werden für Stränge verwendet, die hier cordes heißen, oder auch tresse de piments. Die übrigen werden zu Pulver verarbeitet.
Auch die Anfertigung der Chili-Stränge ist reine Handarbeit. Gemäß AOC-Vorgabe müssen sie mindestens 20 Schoten enthalten. Mit Kennerblick werden dazu Chilis ähnlichen Kalibers ausgesucht, an den Stielen durchbohrt und aufgefädelt. Verkauft werden können sie erst, wenn sie dann noch das AOC-Siegel verpasst bekommen haben.
Die Chilis kann man zuhause frisch verwenden oder bei gutem Luftzug trocknen lassen.
Piment d’Espelette-Produzent Vincent Hurpeau
zeigt uns, wie die Schoten aufgefädelt werden.
Um die verbleibenden Früchte auf die Pulver-Herstellung vorzubereiten, werden sie zunächst an der Luft getrocknet. Dazu hängen sie – ebenfalls als Stränge – an den Häusern, wie man es hier im Herbst überall sieht. Oder sie kommen, wie bei Vincent, auf überdachte Drahtböden. Beim Trocknen an der frischen Luft für ca. 20 Tage entwickeln die Schoten das für Piment d’Espelette typische köstliche Aroma.
Ein vertrautes Bild überall in Espelette
Nach Entfernen der Stiele und weiterer Sortierung werden die Chilischoten dann bei 55-60° C im Ofen getrocknet, um Restfeuchtigkeit zu entfernen. Dann werden sie gemahlen und in Beutel abgepackt. Für 1 kg Pulver werden übrigens 8 kg frische Chilischoten gebraucht!
Vortrocknung auf speziellen Rosten
Nach einer offiziellen Qualitätsprüfung erhält das Pulver ein Zertifikat. Dann kann es in die typischen Schraubgläser und in spezielle Beutel gefüllt und mit dem Siegel „Piment d’Espelette AOC“ versehen werden. Erst jetzt darf das Produkt unter dem geschützten Namen in den Handel gelangen. Die Haltbarkeit wird mit zwei Jahren angegeben (dass das Pulver kühl, trocken und dunkel gelagert werden sollte, versteht sich von selbst).
Außer Pulver werden noch diverse weitere pikante Spezialitäten mit Piment d’Espelette hergestellt, z. B. Püree (Coulis, Compote), Senf und Konfitüre. Auch ganze Schoten werden eingelegt.
Spezialitäten mit Piment d’Espelette
AOC-Schutz für einen Chili
Der AOC-Schutz ist also weit mehr als ein Marketing-Instrument. Die dahinter stehenden Regeln stellen sicher, dass ein Chili-Produkt, das sich „Piment d’Espelette“ nennt, den mit seinem guten Ruf verbundenen Qualitätsansprüchen gerecht wird. Wie schon erwähnt, wurde das „AOC“ im Logo ab 1/2012 (also ab 2011er Ernte) durch „AOP“ ersetzt.
Stichwort: Geschützte Herkunft
Seit langem genießen bestimmte Lebensmittel internationalen Markenschutz aufgrund ihres Herkunftsgebietes. So müssen zum Beispiel Nürnberger Bratwürste aus Nürnberg kommen, Roquefort-Käse aus Roquefort, und echter Champagner aus der Champagne. Seit Neuestem muß Feta-Käse tatsächlich aus Griechenland kommen. Allein in der EU gibt es mehr als 500 Produkte, denen aufgrund der jeweiligen regionalen Besonderheiten – Herkunft, Tradition, bestimmte Rohstoffe oder Herstellungstechniken – ein solcher Status zugebilligt wird. Solchen Schutz genießt auch Piment d’Espelette.Bei den Franzosen nennt er sich AOC (Appellation d’Origine Contrôlée; kontrollierte Ursprungsbezeichnung), in Italien heißt er „IGP“ (Indicazione Geografica Protetta), bei uns „g.g.A.“ (geschützte geographische Angabe). In Italien verfügen zum Beispiel die Peperoni di Senise über Herkunftsschutz, in Spanien Pimentón de La Vera.
Nicht nur im Baskenland wird viel mit Piment d’Espelette gekocht. Profi- und Hobbyköche sowie Gourmets auf der ganzen Welt schätzen diese Spezialität, die ein typisches Aroma mit ausgeprägter aber dennoch moderater Schärfe kombiniert (auf unserer Brenn-o-meter-Skala eine „4“)
So verwundert es nicht, dass sich immer mehr Bauern aus der Region entschließen, den begehrten Espelette-Chili anzubauen. Waren es 1997 nur rund 30 Bauern, wuchs diese Zahl bis zum Jahr 2000 bereits auf rund 50, und 2005 sind es rund doppelt so viele, 2009 bereits 140 Bauern. Interessant fanden wir, dass die Tradition hier erfolgreich an die junge Generation weitergereicht wird – die meisten Piment-Produzenten sind zwischen 25 und 45 Jahre alt, darunter erfreulich viele Frauen.
Die Bauern sind im „Syndicat du Piment d’Espelette“ zusammengeschlossen; im Bild rechts dessen im Ortszentrum gelegenes Büro. Der erste große Erfolg dieser Interessen-
vereinigung kam am 1. Juni 2000, als der Espelette-Chili AOC-Status erhielt; im August 2002 kam dann noch Gebietssschutz als „Appellation d’Origine Protégee“ (AOP; geschützte Ursprungsbezeichnung) dazu.
Gemäss EU-Verordnung sind AOC und AOP gleichwertig. In der EU wird der Ausdruck AOP verwendet; die ja manchmal etwas eigenwilligen Franzosen verwenden aber weiterhin meist AOC, so auch bei Piment d’Espelette.
Diese Auszeichnungen sind mit strengen Regeln hinsichtlich Herkunft, Anbau und Verarbeitung verbunden. Alle dem Syndikat angeschlossenen Piment-Produzenten verpflichten sich, diese Regeln zu befolgen und jede Charge vor Verbreitung zertifizieren zu lassen.
Das per AOC autorisierte Anbaugebiet für Piment d’Espelette umfaßt zehn relativ nahe beieinander liegende Dörfer der Region, und zwar Aïnhoa, Cambo-les-Bains, Espelette selbst, Halsou, Itxassou, Jatxou, Larressore, Saint-Pée-sur-Nivelle, Souraïde und Ustaritz.
Um die jährliche Ernte zu feiern und ihre Produkte zu präsentieren, treffen sich die Produzenten aus den zehn Dörfern jedes Jahr zum Fete du Piment in Espelette.
Mit dem ausführlichen Bericht über das Fest geht’s weiter in Teil 2!
9 Comments
Jürgen Beer
Super Beitrag, meine Frage nun, wird nach dem trocknen neben dem Stiel auch die Plazenta und die Saat entfernt vor dem mahlen ?
Jay
Das würde mich ebenfalls sehr interessieren 🙂
Günter Schaub
Eine wirklich gute Frage. Im Netz findet man unterschiedlich Angaben.
Einmal, das die Samen entfernt werden und einmal das man sie samt Samen zum Pulver verarbeitet.
Ich werde mal Harald, den Autor des Beitrag kontaktieren, vielleicht kann er uns weiterhelfen.
edit:// Laut Harald werden die Samen mit verarbeitet.
Rainer A
Wie ist hier die Antwort auf die super Frage?
Günter Schaub
Laut dem Autoren werden die Samen mit verwendet.
(sh. meine Antwort vom 29. Januar)
volke.wala@gmail.com
Hallo auf arte kam heute eine Reportage 10.09.22 um 11:00 zu Tisch, dirt ging es um die Herstellung. Sie werden ganz getrocknet an der Luft, dann werden die Stiele entfernt, anschließend 48 Stunden im Ofen gedörrt und dann gemahlen. Wichtig ist das vemahlene Pulver gut zu vermischen, so bildet sich ein harmonisches Geschmacksbild.
Liebe Grüße Simone
Günter Schaub
Vielen Dank für die Info. 🙂
Michael
Frage: Ich habe gestern ca. 15 frische Schoten mitgebracht bekommen. Kann ich die auch einfrieren?
Günter Schaub
Klar kannst du die einfrieren. Du musst nur wissen, durch das Einfrieren wird deren Zellstruktur gebrochen. Das ist nicht schlimm, das bedeutet nur, wenn du sie auftaust, sind sie matschig.
Wenn du sie also sowieso zu einer Sauce verarbeiten oder zu Pulver trocknen willst, ist das kein Problem. Das Aroma, der Geschmack, usw. bleiben nämlich erhalten.