Chili & Schokolade – zwei Dinge, die das Leben einfach schöner machen.
Und dabei bestens harmonieren. Die Kombination der beiden Zutaten ist sogar alles andere als neu.
Wissenschaftler fanden Kakao-Spuren in 2600 Jahre alten Kannen aus Maya-Gräbern; wildwachsende Chilis verwendete man in Südamerika sogar schon vor rund 9000 Jahren. Ab wann genau beides vermischt wurde, weiß man nicht genau, aber bereits 600 v. Chr. kombinierten die Maya und um 1200-1500 n. Chr. die Azteken Chili und Schokolade zu einem anregenden Getränk. Damals noch ohne Zucker und eher bitter – ein Trend, der heute bei der Schokolade wiederkehrt. Und da Kühe erst mit den spanischen Eroberern nach Amerika kamen, war auch noch keine Milch oder Sahne drin – ebenfalls ähnlich wie in unserer trendigen Bitterschokolade. (Neueren Untersuchungen mittels Hochdruck-Flüssigkeits-Chromatografie (HPLC) und Massenspektrometrie zufolge süßten allderdings bereits die Maya ihr Kakaogetränk mit Honig; mehr Nährwert und Substanz erhielt er durch Zugabe von Mais, der vermutlich außerdem zum Binden der fettigen Kakaobutter diente).
Wir Europäer haben den Kakao, genau wie die Chilis, Christoph Kolumbus zu verdanken (siehe auch Die Chili Story: Danke, Chris). Im Mai 1502 startete er zum vierten und letztenmal in die neue Welt, übrigens noch immer fest überzeugt, dass die von ihm entdeckten karibischen Inseln zu Indien gehörten. An der mittelamerikanischen Küste bei Guanaja enterte seine Besatzung ein kleines Boot der Einheimischen und brachte die Ladung – Kakaobohnen – an Bord. Im Gegensatz zu den Chilis soll Kolumbus selbst allerdings niemals Kakao probiert haben.
Kakao-Bohnen und -Frucht. In der Frucht stecken bis zu 50
dieser Samenkörner, genug für eine 100g-Tafel Schokolade.
Seine Nachfolger hatten es da besser. Der spanische Eroberer Cortes bekam Kakao 1519 am Hofe des Azteken-Herrschers Montezuma zu trinken, da man ihn für den heimkehrenden gefiederten Gott Quetzalcoatl hielt. Aus dem Namen „Xocoatl“ leitet sich das heutige „Schokolade“ ab.
Die ersten Chili-Schoko-Rezepte
Als Cortes 1528 in die Alte Welt zurückkehrte, hatte er auch ein Rezept für ein Azteken-Kakaogetränk im Gepäck, das dann an den spanischen Geschmack angepaßt wurde. Es klingt sogar recht lecker: 700 g Kakao, 750 g Zucker, 56 g Zimt, 14 Körner „Mexikanischer Pfeffer“ (was eigentlich nur Chilis sein können), 14 g Nelken, 3 Vanilleschoten, etwas Anis-Saat, eine Haselnuss, eine Prise Muskatnuß und etwas Orangenblüten-Wasser. Da sich die meisten Würz-Zutaten schwer lösen, kamen wir hier bei Pepperworld auf die Idee, sie in Alkohol einzulegen – heraus kam dabei ein würziger Schnaps, den man einfach mit heißer Trinkschokolade mischen kann:
Hot Chocolate mit Promille und Scoville Rezept
Das Cortes-Rezept wurde natürlich weiterentwickelt, nicht zuletzt von Mönchen, die über fundiertes medizinisches Wissen verfügten.
1644 veröffentlicht der andalusische Arzt Antonio Colmenero de Ledesma in Spanien ein Buch über Schokolade; darin ist auch ein Rezept für einen Chili-Kakaogetränk zu finden, das seinerzeit als Medizin gegen alles Mögliche gereicht wurde. Es bestand aus 100 Kakaobohnen, zwei Chilis (ersatzweise schwarzer Pfeffer), einer Handvoll Anis, Ohrenblume (was immer das sein mag), einer Vanilleschote, 60 g Zimt, 12 Mandeln oder Haselnüsse, einem halben Pfund Zucker sowie Achiote (Annatto-Saat) zum Abschmecken. Alle Zutaten wurden zusammen in Wasser gekocht, und mit einem gedrechselten Holzquirl, dem Molinillo („kleine Mühle“, siehe Bild) fein verquirlt.
Molinillo
Dieses Gerät ist übrigens heute noch ein Utensil der mexikanischen Küche; das nebenstehend gezeigte Exemplar haben wir in einem mexikanischen Gemischtwarenladen erstanden.
Außerdem wurde mit Kakao seit jeher gewürzt. In Mexiko gehört auch heute noch die aus Poblano-Chilis und Schokolade hergestellte Mole zu den beliebtesten Sossen, die dort zu vielen Gerichten serviert wird.
Die Europäer freundeten sich mit der Schokolade erstmal als Getränk an, nachdem man sie kräftig gesüßt hatte. Lange war dieser Genuß der europäischen Elite aus Politik und Kirche vorbehalten.
Der Trend zu essbarer Schokolade in fester Form begann im 19. Jahrhundert in Italien und wurde auch in Nordeuropa schnell aufgegriffen, zum Beispiel in der Schweiz von einer 1845 gegründeten Firma, die heute jeder Schokofreund unter dem Namen Lindt kennt. Schon seit 1826 gibt es die Schokoladefabrik Suchard („Milka“). Ein Meilenstein war das von Rodolphe Lindt 1879 entwickelte „Conchieren“, ein Verfahren, das unerwünschte Bitterstoffe aus der Kakaomasse entfernt und ihren Schmelz verbessert.
Auch in Deutschland entstanden damals Schokofabriken, die es noch heute gibt. So fertigt beispielsweise die Kölner Firma Stollwerck (bekannt durch Sarotti) seit 1872 Schoko-Spezialitäten. Bereits 1804 gründete F.A. Miethe in Halle an der Saale eine Süßwarenfabrik, die dann ab 1934 Mignon Schokoladenwerke AG hieß und heute als Halloren Schokoladenfabrik AG firmiert. Bereits im Jahre 1865 wurde im bayrischen Bad Reichenhall das Café Reber gegründet, bekannt für seine Mozartkugeln und Pralinen. Die Firma Ritter (die mit den „quadratisch praktischen“ Tafeln) gibts immerhin seit 1912, Leysieffer – auf die kommen wir noch zu sprechen – seit 1909.
Die Herstellung hat sich seitdem nicht wesentlich verändert: Die Samen („Kakaobohnen“) der im feuchtwarmen Regenwald-Klima wachsenden Pflanze werden aus der Frucht entfernt, zum Abbau der Bitterstoffe und zur Entwicklung des typischen Aromas fermentiert und getrocknet, später bei 100 °C oder höher geröstet (ebenfalls wichtig fürs Aroma). In der Fabrik werden sie in Walz- und Mahlwerken zerkleinert; durch die dabei entstehende Wärme fließt die Mischung aus Kakaomasse und Kakaobutter heraus, die man dann trennt.
So entsteht Schokolade
Je nach Schokoladentyp kommt dann außer Kakaobutter mehr oder weniger Kakaomasse in die Schoki: Zartbitterschokolade muß mindestens 50 % Kakao enthalten, Milchschokolade 25 %. Weiße Schokolade enthält überhaupt keinen Kakao, aber mindestens 20 % Kakaobutter. Kakaomasse, Kakaobutter und Zucker werden zu einer Art Brei verarbeitet. Bei Milchschoko kommt halt noch Milchpulver hinzu. In der „Conche“ wird die Masse bei einer Temperatur von ca. 80 °C fein oft mehrere Tage lang bewegt. Die Kakaobestandteile sind dann so fein, dass sie förmlich auf der Zunge zergehen. Zudem verbessert der Prozeß das Schokoaroma. Wegen der Kakaobutter liegt der Schmelzpunkt bei 30 bis 35 °C, sodass die Schokolade bei Zimmertemperatur fest ist, im Mund aber so schön schmilzt.
Die Rührwerke laufen 24 Stunden, oft auch mehrere Tage
Kurz bevor die Schokolade in Formen gegossen wird, kommen dann noch je nach Sorte Nüsse oder weitere Zutaten hinein. Oder halt Chili…
Die Kombination von Schokolade und Chili galt in Europa jedoch bis vor wenigen Jahren noch als mutiges Experiment. Sie wurde aber spätestens seit Juliette Binoches Verführungskünsten im Film „Chocolat“ berühmt, und seitdem schießen die scharfen Schokoleckereien bei uns wie Pilze aus dem Boden.
Was wir da so alles entdeckt haben, wollen wir Ihnen natürlich nicht vorenthalten. Anschließend dann Rezepte für alle Naschkatzen, die selbst mit der aufregenden Capsicum-Kakao-Kombination experimentieren möchten, von der mexikanischen „Hot Chocolate“ zum Trinken über scharfe Trüffel bis zum deftigen Dessert. Bon apetit!
Tolle Tafeln
Die einfachste Form, Schokolade und Chilis zu kombinieren, ist das Gießen zu Tafeln. Auch ohne Kühlung ist das Produkt gut haltbar, wenn man es nicht gerade im Sommer im Handschuhfach seines Autos lagert.
Wir waren ganz begeistert von den sieben handgemachten Chili-Schokoladen von South Devon. South Devon kombiniert feinste belgische Schokolade mit einem Kakaoanteil von 60 % mit Chilis. Diese Chili-Schoki gibt es natürlich auch im Pepperworld Hot Shop.
Natürlich gibt es auch noch andere leckere Schokoladen, die wir schon getestet und für gut befunden haben.
Wohl einer der ersten Hersteller, der sich hierzulande an die Kreation einer Chili-Schoki gewagt hatte, ist die Firma Leysieffer. Hier hat man weiße Schokolade (28 % Kakao) mit genug gemahlenen Chilis „aufgepeppert“, dass man die Partikel in der hellen Schokolade sieht, und sie hat auch einen guten „Kick“. Das peppige Produkt scheint Erfolg zu haben: Wann immer wir im Leysieffer-Shop im noblen Hamburger Hanseviertel vorbeigeschaut haben, war der Stapel mit den weißen Chili-Tafeln am niedrigsten oder gar ganz vergriffen …
Im niederbayerischen Deggendorf bietet das Café Wiedemann am Marktplatz seit Generationen Kaffeehaus-Kultur, und besonders am Wochenende treffen sich hier jung und alt zum Käffchen und Plausch. Überrascht waren wir aber, hier neben hausgemachten Spezialitäten wie Baumkuchen auch eine Schokolade zu finden, die schon ganz deutlich zeigt, was drin ist – Chili. Die musste natürlich mit. Die Schoki hat einen zarten Schmelz, und auch einen angenehmen Hauch von Chili. Auch andere Cafes und Konditoreien bieten inzwischen allerorts eigene Chili-Schokoladen an.
Weniger erstaunlich hingegen, dass auch aus Kalabrien eine besonders feine Chili-Schokolade kommt. Dolci di Calabria fertigt diese Spezialität in Handarbeit unweit von Diamante, der europäischen Chili-Hochburg, natürlich mit gemahlenen süditalienischen scharfen Peperoncini gewürzt. Die ausgewogene Chili-Schärfe bildet eine gelungene Harmonie mit dem herrlichen Aroma dieser Edelbitter-
Schokolade (60% Kakao). Der Hersteller ist mit Recht stolz darauf, dass er seine „Cioccolato extra fondente“ sogar erfolgreich ins Schoko-Mekka Schweiz verkauft – das will schon was heißen.
Teuflisch gute Trüffel
Bei keiner der vorgestellten Tafel-Schokoladen überpowert Chili die übrigen Zutaten, sondern wurde sorgfältig so bemessen, dass es deren Aroma hebt und ergänzt. Diese Eigenschaft der Chilis machen sich diverse Spitzen-Chocolatiers auch für raffinierte Trüffel-Kreationen zunutze.
Heiße Häppchen vom hanseatischen Edel-Konditor
Die Hamburger Konditorei und Confiserie Andersen ist weit über die Grenzen der Hansestadt hinaus bekannt; seit drei Generationen werden hier edle Backwaren und feinste Pralinen hergestellt. So überrascht es ein wenig, dass dieses große Traditionshaus mutig genug war, die womöglich ersten deutschen Chili-Pralinen zu kreieren. Inspiriert wurde Andersen dazu vom jenem Film „Chocolat“, in dem Juliette Binoche ein ganzes Dorf mit ihren pikant gewürzten Schoko-Kreationen betört.
Grund genug für uns, mal bei Andersen vorbeizuschauen und eine Packung der vielversprechenden Häppchen namens „Chilli Traum“ zu erstehen – man gönnt sich ja sonst nichts.
In der dunklen Schokoladenhülle verbirgt sich eine leckere, zartschmelzende Füllung, die in der Tat einen netten „Kick“ hat, auch wenn „eine Versuchung für Mutige!“ (O-Ton Andersen) vielleicht etwas übertrieben ist. Auf jeden Fall eine gelungene Verbindung von Schokolade und Chili.
Hier gibt Anke Rieper von der Hamburger Konditorei und Confiserie
Andersen „Chili-Traum“-Pralinen den letzten Schliff.
Im Hamburger Gewürzmuseum hatten wir anlässlich einer gemeinsamen Veranstaltung Gelegenheit, Confiserie-Chef Adolf Andersen persönlich nach dem Geheimnis seiner Chili-Trüffel zu befragen. „Die Chilis allein machen’s natürlich nicht“, sagt er; „auch die anderen Zutaten müssen stimmen, vor allem beste Sahne und feinste Schokolade“. Und daran wird bei Andersen nicht gespart. Als Schokolade kommt die französische Valrhona zum Einsatz, echten Schoko-Fans natürlich bestens als High-End-Produkt bekannt. Solche Qualität hat natürlich ihren Preis, aber dafür rauchen wir schließlich nicht 😉
One Comment
Holger
Mit Ohrblume ist diese Pflanze gemeint, die Azteken würzten damit ihren Kakao.
Cymbopetalum penduliflorum
http://tinyurl.com/owlqpn2