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WillkommenSeptember 2006 – Wer hat an der Uhr gedreht? Schon wieder war es Zeit, nach Diamante in Kalabrien zu fahren, Europas heimlicher Chili-Hauptstadt. Vom 6. bis 10. September fand dort das alljährliche Peperoncino Festival statt, Europas feurigstes Fest, zugleich internationaler Treffpunkt für Scharfschmecker.Vieles kennen Sie ja inzwischen, denn wir haben hier bereits auf mehr als vierzehn (!) Seiten über Kalabrien, Diamante, die Umgebung, den Chili-Kult und über das Peperoncino Festival geschrieben. Aber ein paar Neuigkeiten haben wir auch dieses Jahr zu berichten. Hier also unser Update 2006. |
Diesmal spürte man das Festival-Fieber schon gleich jenseits der Alpen: Jeder Shop der landesweiten italienischen Autobahn-
Raststättenkette Autogrill präsentierte einen Promo-Tisch mit scharfen Produkten, Chili-Dekoration und Programmheften für die feurige Veranstaltung. |
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So konnten wir unsere Chili-Freunde Marco und Valeria in Ligurien gleich mit dem Festival-Programm überraschen. Das Paar lebt an der Küste unweit von Genua und war unser erster Anlaufpunkt. Marco hat Balkon und Vorgarten in einen unglaublichen Chili-Dschungel verwandelt – Valeria trägts mit Fassung. Es ist aber immer wieder beruhigend zu sehen, dass es noch Chili-Verrücktere als uns gibt 🙂 Die beiden haben uns wieder mit regionalen Köstlichkeiten verwöhnt. Ohne unsere gemeinsame Begeisterung für die scharfen Schoten hätten wir diese supernetten Leute nie kennengelernt.
Ein außerirdischer Chili-Cocktail |
Nach unserem ligurischen Zwischenstopp sind Renate und ich zwei Tage vor Festival-Beginn in Diamante eingetroffen. Mittlerweile wirkt hier alles schon irgendwie vertraut. Es ist Mittagszeit, und der erste Weg führt uns mal wieder zu Café Niní, dem beliebten Treffpunkt auf dem Lungomare. Strahlender Sonnenschein und bekannte Gesichter erwarten uns: Café-Chef Niní alias Antonio Belcastro und Massimo Biagi, der Pepper-Professor aus Pisa, begrüßen uns herzlich. Die beiden tüfteln am diesjährigen pikanten Cocktail fürs Café – inzwischen schon Tradition. Nini drückt mir ein Martiniglas in die Hand und freut sich über einen weiteren Beta-Tester. Unten im Glas ein Stückchen kandierter Habanero – schon mal ein kleiner Hinweis, was man erwarten darf. Trotzdem befinden Massimo und ich: Könnte noch etwas schärfer und etwas fruchtiger sein. Drei Runden weiter macht sich bei leerem Magen der Vodka-Anteil bemerkbar, und wir beschließen, etwas später weiterzutesten… |
Abends gesellte sich dann noch Entertainer Gianni Pellegrino nebst einigen Begleitern dazu, darunter ein älterer Herr, der auf einem Block zu zeichnen beginnt. Es ist Carlo Rambaldi. DER Carlo Rambaldi, und er zeichnet den wohl berühmtesten Außerirdischen, den es je gab, und den er Anfang der 1980er geschaffen hat. E. T. , Unheimliche Begegnung der dritten Art, Conan der Barbar, King Kong’s Neuverfilmung – sie alle tragen die Handschrift des weltberühmen Special-Effects-Genies aus Italien, und wir sitzen mit ihm an einem Tisch und schlürfen Chili-Cocktails! In Nullkommanix zeichnet Rambaldi einen detailierten E.T. und widmet ihn Nini. Derrevanchiert sich, indem er ihm zu Ehrern eine neu kreierte Tartufo-Variante „E.T. tauft. |
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Die extraterristische Zeichnung ist wenig später in Ninis Speisekarte abgedruckt. Der neue Drink enthält Vodka, Cedro-Likör, Habanero-Sirup und ein paar „Geheimzutaten“. Als Experiment gibts zum Cocktail zwei Sorten Eis, das aber überraschenderweise nicht süß, sondern salzig schmeckt. Nini klärt uns auf: Die eine Sorte ist mit N’Duja gemacht, der berühmten chilischarfen kalabrischen Streichwurst, die andere mit Rosamarini, ebenfalls mit viel Peperoncini eingelegten kleinen Fischen. Hmmmm… ein wenig gewöhnungsbedürftig, aber zum Cocktail passt’s irgendwie. |
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Die üblichen Verdächtigen |
Dass Diamante jetzt so langsam auf dem touristischen Radarschirm erscheint, zeigen die Horden fremdländischer Straßenverkäufer, die an allen bekannten italienischen Badestränden längst zum Alltagsbild gehören. Extra fürs Peperoncino-Festival wurden offensichtlich Tonnen billiger Chili-Accessoires produziert, besonders Anhänger fürs Handy (das in Italien übrigens Telefonino heißt). Egal, ob man im Café sitzt, einkauft oder am Strand liegt – der nervigen Hardcore-Bettelei (prego, prego!) ist kaum zu entkommen. |
Café Niní ist auch der Platz, wo man gelegentlich auf heimische Chiliheads trifft, wie hier Gabi, Elmar und Bodo aus dem „Ländle“. Weitere deutsche Chilifreunde trafen wir unterwegs; jährlich werden es mehr. Wenn das so weitergeht, gibts hier bestimmt demnächst deutschsprachige Speisekarten 😉 Prego, prego! |
Diamante im Peperoncino-Fieber
Viele Schaufenster und Stände waren dieses Jahr zum Festival besonders phantasievoll gestaltet – nicht zuletzt wohl auch deshalb, weil die Besten diesmal prämiert wurden. |
In einem Spielzeugladen ist Barbie auf einem Vespa-Oldtimer-Modell unterwegs – natürlich mit Chilis im Gepäck. Die Puppe hat sich der Shop-Inhaber von seiner Tochter ausgeliehen. |
Einen Korb mit Chilis hat er mit flackernden Glühbirnen gespickt, die er extra für unser Foto einschaltet; das „Feuer“ löscht ein antiker Feuerlöschwagen vom Typ Ford „Model T“. |
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Auch der Küchenzubehör-Laden hat mit Chili-
Deko nicht gegeizt, und die Modegeschäfte hatten auch schon in den Vorjahren gerne zielgruppenorientiert zum Pepper-Fest geschmückt. |
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Feine Verpflegung
Der Kochstand am Ende des Lungomare war diesmal fest in toskanischer Hand. Besonders gut schmeckte uns die von Massimo empfohleneMinestra di Pane, eine herzhafte Brotsuppe, mit Peperoncini pikant abgeschmeckt – eher ungewöhnlich für die Toskana.
Außerdem gabs hervorragende toskanische Rotweine zu akzeptablen Preisen – siehe rechts. |
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Themenschwerpunkt 2006: Peperoncino und CedroJedes Jahr gibts zum Festival ein Schwerpunktthema, das Chilis in Verbindung mit anderen kulinarischen Leckereien präsentiert – letztes Jahr waren es Chilis und Bohnen, im Vorjahr Trüffel, und diesmal ist es eine weitere Frucht, die speziell in Kalabrien zu finden ist – Cedro.
Die unter dem botanischen Namen Citrus medica bekannten Cedri sind die Riesen unter den Zitrusfrüchten – sie werden bis zu 25 cm lang und 4 kg schwer. Trotzdem haben sie aufgrund der dicken Schale wenig Fruchtfleisch; es ist jedoch sehr aromatisch, genau wie die Schale selbst. Am ehesten erinnern Cedri an Limetten, sind aber noch viel delikater, und genau wie Limetten werden sie grün geerntet. Während Limetten aber vielerorts wachsen, benötigen die sensiblen Cedri ein ganz spezielles Mikroklima, das ihnen ein Küstenstreifen nördlich von Diamante bietet, der deshalb auchRiviera dei Cedri heißt (nicht ganz korrekt bisweilen mit „Zedernküste“ übersetzt). Aus dem Fruchtfleisch entsteht eine schmackhafte Konfitüre, aus der Schale Zitronat und ein sehr leckerer Likör, der mir persönlich seit Jahren verlässlich hilft, wenn’s was schwer Verdauliches zu Essen gab. Wir wären nicht in Diamante, wenn es hier nicht auch Cedro-Likör mit Peperoncino gäbe! Und Nini macht natürlich Cedro-Eiscrem. |
Auf einem abendlichen Festival-Podium dozierten und diskutierten Cedro-Experten leidenschaftlich über die Zitrus-Frucht, ihre asiatische Herkunft, ihre religiöse Bedeutung (angeblich bekam Adam von Eva eine Cedro, keinen Apfel), den Anbau seit dem 8. Jahrhundert und das spezielle Klima, das die Früchte in dieser Region so gut gedeihen läßt.Die einstündige Veranstaltung wurde von der Verkostung von Cedro-Likören und diversen Süßspeisen begleitet; außerdem wurden natürlich die Pflanzen und Früchte selbst vorgestellt. |
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Das ätherische Öl der Cedro-Schale wird auch
zur Parfümherstellung verwendet. Elisabetta Ferrara präsentierte eine komplette Cedro-
Kosmetikserie, die ihren Namen trägt.An Elisabettas Stand fanden wir aber auch etwas, was wir schon lange gesucht haben: Peperoncino-Seife!
Ob man da schon beim Waschen in Schweiß gerät? Wir haben auf jeden Fall mal ein Stück mitgenommen. |
Gestreifte Chilis und 249 weitere Sorten |
„Duecentocinquanta!“ strahlt Massimo Biagi:
250 Chili-Sorten hat er diesmal exakt zum Festival reif bekommen, um die Schoten zu präsentieren und zu verkaufen. Natürlich war auch wieder eine dabei, die ihm jemand als „Naga Jolokia“ geschickt hatte – jene angeblich so scharfe Sorte aus Indien. War natürlich nicht scharf. Interessant hingegen eine Neuzüchtung, auf die Massimo besonders stolz ist: Die Pflanze liefert längsgestreifte Früchte, die wie Peppino-Melonen aussehen.
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