„10 Anni tutti piccanti“ – Zehn scharfe Jahre
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Dieses Plakat kündigt das Jubiläum des Peperoncino Festival an. 1992 war es 500 Jahre her, dass Kolumbus nicht nur einen neuen Kontinent, sondern auch die scharfen Schoten entdeckte, die er irrtümlich für Pfeffer hielt – daher stammen Begriffe wie Chili Pepper, spanischer Pfeffer und Peperone.Jenes Jahr nahm man in Kalabrien, dem Chili-Anbaugebiet Italiens, zum Anlaß, das Peperoncino Festival ins Leben zu rufen. Bereits die erste Veranstaltung war so erfolgreich, daß sie jedes Jahr Anfang September – also zur Haupterntezeit – wiederholt wurde, ähnlich den Weinfesten bei uns. Und jedes Mal wurde das Spektakel eine Nummer größer. Im Jahre 2002 feiert das Peperoncino Festival sein Zehnjähriges, und das Programmheft umfasst inzwischen stolze 84 Seiten. |
Für Chili-Fans aus ganz Italien wird das kleine Städtchen Diamante zum Mekka, und man reist an, um eine einzigartige Mischung aus Markständen, Filmvorführungen, Satire, Kunst und Kultur, Folklore-Darbietungen und lokaler Gastronomie zu erleben. Veranstaltet wird das Spektakel von der Accademia Italiana del Peperoncino, einer Organisation, die sich mit vielerlei Aktivitäten der Verbreitung des Chili-Gedankens im Allgemeinen und der Promotion italienischer Peperoncini im Besonderen widmet. In fast jeder italienischen Region gibt es eine Niederlassung der Accademia, und auch international ist sie inzwischen tätig.
Das Festival dauert vier Tage. Es geht immer erst abends richtig los, daher sind die Bilder dieses Beitrags auch alle im Dunkeln geschossen. Dann wird bis in die Nacht wird gefeiert und genossen, was das Zeug hält. Der Besuch sämtlicher Veranstaltungen ist übrigens kostenlos.Am 4. September wird das Festival abends im benachbarten Örtchen Cirella mit einer Parade, musikalischem Rahmenprogramm und ein paar Spezialitäten zum Einstimmen eröffnet. An einem Aperitivo-Stand ließ ich mich zu einem Gläschen La Bomba überreden. Was genau drin ist in der Bombe, bleibt das Geheimnis ihres Mixers, aber es ist eine Art Sangria, mit Wein, Melone und reichlich Chilis – zieht gut durch! |
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Das eigentliche Festival in Diamante beginnt dann abends am nächsten Tag. An rund 120 Ständen entlang der Lungomare (Standpromenade) werden Produkte angeboten, die alle irgendwie mit Peperoncini zu tun haben (siehe auch Ungewöhnliche „echt scharfe“ Produkte). |
Das Schöne ist, dass es fast überall was zu Probieren gibt, aber man kann natürlich auch vieles kaufen. Auch die örtliche Gastronomie ist vertreten und kredenzt Kostproben ihrer Spezialitäten, dazu – oft kostenlos – ein Gläschen hervorragenden Wein. Die Stimmung könnte nicht besser seinRechts: Hier wird Salsicce gegrillt, eine magere luftgetrocknete Wurst aus Schweinefleisch, die mit Fenchelsaat gewürzt ist, und in dieser Region außerdem mit einer guten Portion Peperoncini. Bisweilen gibt’s die pikante Grillwurst dann im knusprigen Ciabatta-Brötchen – die kalabrische Version vom Hot Dog. |
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Italiener schlecken gerne Eis. So verwundert es nicht weiter, dass auf dem Festival auch verschärfte Eis- Spezialitäten
angeboten werden.Zum Beispiel Granita – ein erfrischendes Wasser-Eis, hier mit Pepperoncini (links) und sahnige Peperoncino Eiscrem, als Topping zusätzlich scharfen Chilis obendrauf! |
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Peperoncino-Spezialitäten, so weit das Auge reicht!
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Links: Castel dell Elce präsentiert einen leckeren kalabrischen Likör: „Crema di cacao al peperoncino“. Erfreulicher- weise im Probeausschank 🙂Rechts: Bei den netten
Damen von Ricca gibts mit Peperoncinos aufgepeppte Pasta-Spezialitäten. |
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Mitten unter den Füßen der Besucher schuf ein Künstler dieses chili-gerahmte Bild des in Italien allgegenwärtigen Pater Pio (1887-1968) – Der geheimnis umwitterte Mönch und Bauernpriester ist als Wundertäter, Hellseher, Heiler und Stigmatisierter bekannt geworden. „Stigmatisierte“ Menschen tragen angeblich die Wunden Christi, und Pater Pio musste seine empfindlichen, nie heilenden Hände fast immer mit Handschuhen schützen.
Ein besonderer Leckerbissen für alle Chiliheads war der große Stand von Massimo Biagi aus Pisa. Selber Hardcore-Chilihead, präsentierte der Experte frische reife Schoten von rund 130 Chili-Sorten aus aller Welt, die bestaunt und gekauft werden konnten. So viele Sorten rechtzeitig und gleichzeitig reif zu bekommen, ist eine beachtliche Leistung, und zu Recht wurde Massimo’s Stand zum besten des Festivals gekürt.
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Oben: Unsere schwedischen Chilifreunde Mats und Patricia Pettersson (links), Renate Zoschke und Chili-Züchter Massimo Biagi (rechts)Links: Die frischen Schoten aus aller Welt stoßen auf reges Interesse und finden reißenden Absatz. |
Auch quer durch die Stadt gibt es zahlreiche Attraktionen. An jedem Abend laufen auf einer Großbildleinwand in einer dunklen Gasse Filme, die irgendwie mit hot & spicy zu tun haben. Musikalische und folkloristische Darbietungen zeugen von der reichen Tradition dieser Region. |
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Ein öffentliches Podium mit führenden Medizinern und Wissenschaftlern aus dem ganzen Land diskutiert neueste gesundheitliche Aspekte der scharfen Schoten und beantwortet Fragen aus dem Publikum.
Renate (rechts) stieß auf diese lustigen „Chili Girls“ – und auch die Kids engagieren sich bereits, wie hier durch den Verkauf mit Chilis verzierter Kieselsteine.
Und immer wieder trifft man Gleichgesinnte – Chiliheads, also, mit denen man trotz einer gewissen Sprachbarriere in lebhafte Gespräche gerät. Man erkennt sich an Chili-T-Shirts, den Taschen voller Schoten oder dem vom vielen Nachschlagen schon zerfleddertenPeppers of the World unterm Arm. Kleine Geschenke werden spontan getauscht. Auf dem Festival treffen wir auch unsere schwedischen Freunde Mats und seine brasilianische Frau Patricia – beide sind extreme Chiliheads, die auf ihrem Balkon in Stockholm jedes Jahr unzählige Chilisorten anbauen. Die Liebe zu den Chili Peppers ist halt international- it’s aPepperworld.
Ungewöhnliche „echt scharfe“ Produkte auf dem Peperoncino-Festival
- Crema di Cacao al Peperoncino – Pikanter Chili-Schokolikör mit 17% Alkohol.
- Grappa al Peperoncino di Calabria – Der brühmte Traubenbrand in verschärfter Form, mit Chilis in der Flasche.
- U Viagru Calabrisa – Eine Art Salsa auf Ölbasis, mit scharfen Chilis (C. frutescens), Auberginen, Artischocken und Steinpilzen. Man streicht dies zum Beispiel als Vorspeise aufs Bruschetta (knusprig geröstetes Brot).
- Piccantella – ein Brotaufstrich auf Peperoncino-Basis, in einer irgendwie vertrauten Aufmachung…
- Olio Santo („Heiliges Öl“) – Rot leuchtendes Chili-Öl in dekorativen Fläschchen.
- Kalabrische Peperoncinos in Olivenöl, oft in hübschen Gefäßen.
- Eine Vielfalt an italienischen Fleisch- Käsespezialitäten in „aufgepepperter“ Variante.
- Alici al peperoncino – eine kalabrische Spezialität aus frisch geschlüpften Sardinen und Peperoncini.
- Pasta Piccante – Diverse Nudelsorten mit gemahlenen Peperoncini im Teig, einige davon überraschend pikant.
- Baci di Casanova – Pikant gefüllte Schoko-Pralinen.
- Eropic (Liquore al Peperoncino) – ein (künstlich) knallrot gefärbter süßer Chili-Likör.
- Panetti di mandorla al peperoncino – Chili-pikantes Marzipanbrot.
Peperoncino-Marzipanbrot
Grappa „mit Einlage“
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Fleisch- und Käsespezialitäten
„Piccantella:“ Chilischarfer Brotaufstrich
Casanova-Küsse: Schoko & Chili
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Nationale Meisterschaft im Chilischoten-Wettessen
Ein absolutes Highlight des Festivals ist das Campionato italiano mangiatori di peperoncino– die Endausscheidung der italienischen Meisterschaft im Chilischoten-Wettessen. Mit diesem unglaublich unterhaltsamen Ereignis geht’s im folgenden Beitrag weiter …
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