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September 2005 – Schon wieder ist es Zeit, nach Kalabrien zu fahren, um Europas heimlicher Chili-Hauptstadt Diamante einen Besuch abzustatten. Denn vom 7. bis 11. September war dort das alljährliche Peperoncino Festival angesagt, Europas feurigstes Fest, der internationale Treffpunkt für Scharfschmecker.Vieles ist natürlich schon bekannt; schließlich haben wir hier bereits auf mehr als zehn Seiten über Kalabrien, Diamante, die Umgebung, den Chili-Kult hier und über das Peperoncino Festival geschrieben. Trotzdem gibts jedes Jahr was Neues, und darüber berichtet unser Update 2005. Aufblasbarer Chili auf dem Rathaus von Diamante |
Eine kleine Stadt im WandelWie in den vorangegangenen Jahren sind Renate und ich schon etwas eher eingetroffen, um uns in Ruhe umzusehen, bevor’s hier so richtig losgeht.
Während viele der älteren Kleinstädte in Süditalien langsam verfallen, zeigt Diamante Weitblick und investiert in die Infrastruktur. So wurde gerade rechtzeitig für die 2005er Saison der Lungomare, die Strandpromenade, attraktiv neu gepflastert und mit stattlichen Palmen zur ansehnlichen Flaniermeile aufgepeppt. Die Maßnahmen harmonieren dabei sehr schön mit dem historischen Stadtkern. |
Nachdem sich der riesige Papp-Chili
der Vorjahre so langsam auflöste, hat
die Stadt einen neuen spendiert, und
den mußte der Autor dieses Berichts
erstmal ganz doll drücken. |
Das Festival naht…Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus, und so war es wenig verwunderlich, in einer Pasticceria am Lungomare diese heißen Hörnchen zu finden, gefüllt mit Vanillecreme mit Chilistückchen und mit einer echten (gut scharfen!) Schote dekoriert. Eine willkommene Abwechslung zu den „normalen“ Cornetti, die es in Italien schon zum Frühstück gibt. |
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Auch beim örtlichen Panificio (rechts) lief der Backbetrieb auf Hochtouren. Die mit Peperoncini und Oliven durchsetzten Maisfladen von dort schmecken super und machen lange satt. Die Idee liegt nahe, auch unser Rezept für Chili Cornbread Muffins einmal mediterran abzuwandeln… |
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Café Niní, der beliebte Treffpunkt auf dem Lungomare, war bereits ebenfalls wieder bestens auf das feurige Festival vorbereitet. Seit Jahren ist der mit Peperoncini und Chili-Marmelade aufgepepperte „Tartufo Afrodisia – gelato dolcemente piccante“ ein Klassiker des lokalen Eis-Spezialisten.Dieses Jahr setzte Nini noch eins drauf – seine neueste Kreation heißt „Palla di Eros“. Der „Liebespfeil“ besteht aus feiner Schoko-Eiscreme mit einer richtig guten Dosis Peperoncino-Pulver.
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Und wie berereits 2004 war auch dieses Jahr ein Chili-Monster-Eis der Blickfang im Nini-Eisschrank. |
Die letztjährige Eisbombe ist unser Juni-Foto im 2006er Chili Pepper Kalender. Darüber hat sich Niní, mit richtigem Namen heißt er Antonio Belcastro, derart gefreut, dass er uns spontan zu Kaffee und Eis einlud. Wir haben uns natürlich für den neuen „Liebespfeil“ entschieden. Schoko, Eis und Chili. Herz, was willst Du mehr?!Jede Stadt sollte ein Eiscafé mit so einem netten und kreativen Besitzer haben – auch bei uns daheim. |
Und dann noch das hier… eine verschärfte Deckenlampe,
entdeckt in einer Pizzeria am Lungomare.
Nun aber…. Das Festival
Ab Mittwochabend war es dann endlich soweit – das Peperoncino Festival wurde feierlich eröffnet, und jeden Abend strömten tausende chilibegeisterte Besucher den Lungomare entlang und durch die Stadt. Die Strandpromenade reicht inzwischen längst nicht mehr für alle Aussteller; daher wurden diesmal auch in den Gassen und entlang öffentlicher Plätze scharfe Buden aufgestellt. |
Chilis & Bohnen – zwei alte Freunde spielen die Hauptrolle
Jedes Jahr hat das Peperoncino Festival in Diamante ein kulinarisches Schwerpunktthema, unddiesmal ist es die schon rund zehntausend Jahre währende „Freundschaft“ von Chilis (Peperoncini) und Bohnen (Fagioli). Beide gehören zu den ältesten Lebensmitteln der Welt. Bekanntlich stammen Chilis ursprünglich aus Südamerika, wo die wild wachsenden kleinen roten Beeren schon vor mehr als 9000 Jahren gesammelt und gegessen wurden; schon früh wurden sie auch kultiviert. Dasselbe trifft für Bohnen zu, und beide verbreiteten sich nach der Entdeckung durch Kolumbus (siehe auch „Die Chili-Story: Danke, Chris!„) ziemlich rasch um die ganze Welt. Nicht nur in der mexikanischen Küche, sondern auch in vielen anderen Ländern gibt es Gerichte mit Bohnen und Chilis.
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Dem trug das Festival Rechnung, indem an einem Stand jeden Tag andere internationale Gerichte mit den beiden schmackhaften Zutaten gekocht wurden. So gab es außer aus Kalabrien auch leckere Bohnen-Chili-Spezialitäten aus der Toskana, der Basilikata, aus Mexiko und aus Peru zu probieren.Besonders beliebt ist in Italien die Kombination von Nudeln und Bohnen. Das Ristorante Bersagio bot zum Thema „Pasta e Fagioli“ einen leckeren Eintopf an. |
Einer der Initiatoren des Themas „Chilis & Bohnen“ istMassimo Biagi (unten rechts, neben dem Autoren dieses Artikels), Professor an der Universität von Pisa und Meister-Chilizüchter. Neben Schoten von mehr als 150 Chilisorten aus aller Welt präsentierte er diesmal nicht weniger als 80 verschiedene Bohnensorten! |
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Auf die Frage, wie er auf die Idee kam, der Öffentlichkeit Bohnen vorzustellen, sagte er uns: „Mit der Universität hatten wir im Juni eine Ausstellung in Pisa. Um die Zeit sind auch bei uns noch keine Chilis reif. Getrocknete Bohnen sind immer verfügbar, und als alte „Gefährten“ der Peperoncini lag es nahe, die enorme Vielfalt dieses sonst eher wenig beachteten Lebensmittels zu zeigen“. Bevor Bohnen auch in Italien neben Pasta zum Grundnahrungsartikel wurden, galten Sie im 16. Jahrhundert als königliches Nahrungsmittel und gehörten zu den reichen Gaben, die Adlige damals zu besonderen Anlässen austauschten. Massimo zeigte Bohnen aus aller Welt, aber Italien verfügt auch über eigene Sorten, die wie diverse Weine IGP-Gebietsschutz (Indicazione geografica protetta = geschützte geografische Angabe) genießen. „Sarconi-Bohnen“ sind auch über die Grenzen Italiens hinaus bekannt und geschätzt. Das Gebiet um Sarconi in der Basilikata liegt um die 600 m hoch und bietet Böden, deren spezielle Beschaffenheit diese Bohnen besonders aromatisch gedeihen lassen. Bohnen-Anbauer und Vermarkter Belsario zeigte das breite Spektrum der Fagioli di Sarconi und bot 500g-Beutel zum Verkauf an. Interessant: Sarconi liegt in Herzen der Basilikata, im fruchtbaren Val d’Agri. Im Agri-Tal werden auch die Peperoni di Senise angebaut, eine milde aber sehr aromatische Paprika, die seit kurzem ebenfalls IGP-Gebietsschutz genießt. Natürlich sind wir nach Senise gefahren – hier unser ausführlicher Bericht. Passend zum Thema wurde auf dem Festival die brandneue „Confettura Piccante di Fagioli“ vorgestellt, ein süß-pikanter Brotaufstrich mit Bohnen und Peperoncini. Unser Geschäftsfreund Guiseppe vom Hersteller Magnifici del Mezzogiorno (oben Mitte) ließ uns davon probieren. Lecker! |
Im Rahmen des Festivals finden auch stets wissenschaftliche Vorträge statt, und ebenfalls thematisch passend referierte Professor Bruno Amantea von der Università Magna Grecia di Catanzaro mit Kollegen über Geschichte, Tradition und gesundheitliche Vorzüge der Bohnen, anschließend gab es eine Verkostung.Eine weitere Expertenrunde beschäftigte sich mit der Frage, ob man sich auch für die kalabrischen Peperoncini um Gebietsschutz bemühen sollte und diskutierte die Pros und Contras.
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Verschnaufpause bei Cafe Nini. Ein guter Platz, um Chilhead-Freunde zu treffen. Neben uns (von rechts): Mats aus Schweden, Ricardo aus Rom, Marco aus Ligurien. Marco hatten wir auch zuhause besucht, seine Chili-Zucht – alles in Containern – kann sich sehen lassen. |
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Neue „echt scharfe“ Produkte
Es ist kaum zu glauben, aber jedes Jahr entdeckt man auf dem Festival neue Produkte, die irgendwie mit Chilis zu tun haben.
Was schenkt man dem Chilihead, der schon alles hat, von der Vicious Vampire Hot Sauce bis zum Chili-Vibrator? Natürlich eine gepflegte Beleuchtungsanlage, die sich zwanglos in jedes Ambiente einfügt. Vorausgesetzt, es handelt sich dabei um Gelsenkirchener Barock.
Damit man sich das Ganze besser vorstellen kann, hatte der Lampen-Anbieter ein komplettes Wohnzimmer aufgebaut. Renate hat es sich gleich schon mal gemütlich gemacht.„So ein Leuchter kommt mir nicht ins Haus“ stellt sie präventiv-energisch fest. Schade eigentlich…Ich tröste mich mit einer Packung Räucher-
stäbchen in Chili-Form („Absolute Neuheit“) für
mein kleines Chili-Museum. Riechen nicht anders
als „normale“, sehen aber echt scharf aus. |
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Neues gab’s auch vom Chili-Professor Massimo Biagi (siehe oben). Gerade noch rechtzeitig fürs Festival kam sein Büchlein „Coltivare Peperoncino“ aus dem Druck.Auf rund 60 Seiten gibt das Taschenbuch eine Anleitung zum erfolgreichen Chili-Anbau und bietet auch zahlreiche Illustrationen dazu.Es hat die ISBN 88-88948-21-X und reißt mit 6 Euro kein Loch in die Haushaltskasse. Mit einem Sprachführer bewaffnet ermöglicht es außerdem, mit nützlicher Lektüre etwas Italienisch zu lernen oder aufzubessern.Und dass Massimo etwas von der Chili-Kultivierung versteht, zeigt die Tatsache, dass er es Jahr für Jahr schafft, zum Festival von rund 150 Sorten perfekt reife Chili-Schoten fertig zu haben… |
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Tja, das wärs …
… natürlich noch lange nicht! In Teil 2 geht’s weiter!
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Chili überall! Kalabrien wäre nicht die europäische Capsicum-Hochburg, wenn nicht selbst Käse „aufgepeppert“ wäre. Wie dieserPecorino zum Beispiel, ein herzhafter Schafskäse, durchsetzt mit Peperoncino-Stückchen. Ein Käse mit Suchtfaktor, von dem wir uns einen ganzen Laib mit nach Hause genommen haben (Tipp: die meisten Käsehändler sind auch hier darauf eingerichtet, Käse zu vakuumieren und einzuschweißen. Packt man ihn dann noch im Hotelzimmer in den Minibar-Kühlschrank, hält er locker bis zur Heimreise. Die Pecorinos unten erhielten zusätzlich eine Chili-Pulver-Abreibung. |
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