In der Nähe von Parma
In unserer Reihe „Scharfe Typen“ stellen wir Menschen vor, die die Chili- und Fiery-Foods-Szene mitgeprägt haben oder einfach bereichern. Diesmal gehts nach Italien, in den Großraum Parma. Zu zwei Menschen, die zeitgleich mit den Pepperweltlern auf „Fiery Foods“ umgesattelt haben und sich ein alte Gehört namens Ca’ d’Alfieri kauften.
Maurizio (oben rechts) und Harald verbindet einiges – ihr früheres Leben als Computer-Software-Spezialisten, die Liebe zu Chilis und scharfer Küche, und so Mitte der 1990er die Erkenntnis, dass das (Arbeits-) Leben noch mehr zu bieten haben müsste als Bits und Bytes. Dazu verständnisvolle Partnerinnen, die ihre Ansicht teilen.
Während Harald und Renate Zoschke zunächst nach Florida umsiedeln und dort ihre Firma Suncoast Peppers Inc. gründen (später dann Suncoast Peppers GmbH in Deutschland), ziehen ihre italienischen Freunde Maurizio Bovi und Luisa Sgarbossa aus der Region Venetien zeitgleich in die Emilia Romagna, wo sie ein entlegenes altes Gehöft kaufen, Ca’ d’Alfieri. Ihr Plan: Obst und Gemüse selber anbauen, Tiere halten und vom eigenen Land leben.
Außer landwirtschaftlichen Erzeugnissen betreiben die beiden auf ihrem Anwesen auch ein Bed & Breakfast („Agriturismo“) mit rustikalen, liebevoll eingerichteten Räumen und bieten in ihrer Restauration italienische Küche vom Feinsten – und für alle, die es möchten, auch vom Feurigsten!
Nachfolgend ein kleiner Einblick in das sehens- und bemerkenswerte Projekt des peppigen Pärchens.
Ein recht entlegenes Fleckchen haben sich die beiden für ihren Traum ausgesucht – ein Gehöft im Noveglia-Tal, unweit des Örtchens Bardi (siehe Pfeil) in der Provinz Parma im Westen der Region Emilia Romagna. Während die Stadt Parma dicht bevölkert und laut ist, fährt man von dort nach Ca’ d’Alfieri eine gute Stunde durch kurvenreiches nahezu menschenleeres Areal. Unglaublich, dass es noch so viel Natur und Ruhe gibt. Wer nicht aufgibt, landet schließlich auf dem Hof von Ca’ d’Alfieri (Ca‘ ist die übliche Abkürzung für Casa, Haus).
Die rund 130 Jahre alten Gebäude wurden von den beiden geschmackvoll restauriert renoviert und zu gleichermaßen rustikalen wie eleganten Räumen ausgebaut. Das Haupthaus bietet fünf Doppelzimmer und eine Heuboden-Suite; ehemalige Ställe wurden zu einem urig-gemütlichem Bewirtungsraum.
Unser Favorit, wenn wir bei Ca’ d’Alfieri zu Besuch sind, ist jedoch „La Casella“, das Häuschen. Das kleine Nebengebäude, das ursprünglich zum Trocknen von Esskastanien diente, wurde ebenfalls liebevoll renoviert – unten ein Raum mit gemütlichem Bollerofen (Holz inbegriffen, siehe Bild), eine Treppe führt zum Boden mit gemütlichem Doppelbett.
Hinaus aufs Land
Wer einen kleinen Marsch nicht scheut, kann einen Blick auf die Gewächshäuser werfen. Während in einigen Häusern Tomaten, Gurken, Auberginen und anderes Gemüse heranwachsen, sind andere nur für Chilis da.
Dies ist auch einer der über ganz Italien verstreuten Orte, wo Chilis exklusiv für Pepperworld Hot Shop Qualitätsprodukte angebaut werden. Dazu später mehr.
Gleich hinter den Gewächshäusern plätschert ein Bach vorbei, der für die Bewässerung der Pflanzen in den Gewächhäusern dient. Das Wasser ist so klar und sauber, dass sich sogar Flusskrebse darin angesiedelt haben. Maurizio fängt uns einen, aber nur zum Anschauen: Während wir im Geiste schon an leckeres Louisiana Crawfish Etouffee dachten, erfahren wir, dass die kleinen Zwicker unter Naturschutz stehen. OK, ist auch besser so, denn vielerorts gibts sie garnicht mehr, da sie top-sauberes Wasser brauchen. Das gefällt auch den Chili-Pflanzen…
Auch die Farmtiere führen hier ein Leben, um das sie sicher viele Artgenossen beneiden würden. Die Ziegen relaxen in ihrem Gehege zusammen mit den glücklichen Hühnern, und abends kommt Luisa, um sie „zu Bett“ zu bringen und die Eier einzusammeln.
„Schwein gehabt“ haben auch die Schwarzschweine bei Ca‘ D’Alfieri, eine alte Rasse, die wieder entdeckt wurde und seit ein paar Jahren von einigen Bauern im Großraum Parma wieder gezüchtet wird. In einem großen eingezäunten Waldstück können sie nach Herzenslust toben und nach Wurzeln graben. Die Kleinen wachsen entsprannt bei den Müttern auf, Papa Schwein – hier beim täglichen Schlammbad – erledigt seine Arbeit noch selbst. Irgendwann endet natürlich auch das schönste Schweineleben auf dem Teller. Aber bis dahin haben die Tiere ein angenehmes Leben, was sich wiederum in der Fleischqualität bemerkbar macht.
Frisch vom Feld…
An einem sommerlichen Spätnachmittag kommt Maurizio mit der Ernte eines Arbeitsages zurück. Auf seinem Traktor auch ein paar Kisten Tropical Red Habaneros, die er – neben anderen Sorten – anbaut und für uns zu feinem Chili-Püree verarbeitet (Update Mai 2011: „für uns“ stimmt jetzt nicht mehr so ganz, denn seit seit Mai 2011 läuft der Pepperworld Hot Shop ja unter neuer Regie, siehe hier).
… ins Glas
Wie es mit den Chilis weitergeht, zeigt ein Blick in die kleine aber feine Fertigung. Schon am nächsten Morgen werden die Chilis von Hand sortiert, gewaschen, getrocknet, püriert und mit den weiteren Zutaten vermischt. Abgefüllt wird traditionell per Hand. Dann folgt ein wenig High-Tech: Die verschlossenen Gläser werden unter Vakuum pasteurisiert. Dies erlaubt niedrigere Temperaturen für ein schonendes Konservieren, bei dem das Aroma besonders gut erhalten bleibt.
Tipp: Mit diesem Püree lässt sich eine hervorragende Mango-Bananen- Salsa zubreiten (Rezept)
Landwirtschaftlicher Laden
Friches Obst, Gemüse, Marmeladen und Eingelegtes aus eigenem Anbau und eigener Fertigung verkaufen Maurizio und Luisa in Bardi, dem nächstgelegenen Ort.
Nicht nur die Einheimischen kaufen hier gerne ein, historisch bedingt kommen viele Briten nach Bardi. Auch Renate deckt sich hier stets kräftig mit italienischen Spezialitäten ein, bevor es wieder nach Hause geht. Schräg gegenüber von dem kleinen Geschäft empfiehlt sich „Cafe Centrale“, wo es außer Kaffee und guten Drinks leckere Antipasti-Snacks gibt. Unser Favorit dort sind die panierten knusprig fritierten Steinpilzstreifen. Dann ein Espresso und das geruhsame Leben auf der Straße beobachten.
Bardi hat auch einiges an Sehenswürdigkeiten zu bieten, besonders das Castello di Bardi, eine bis ins 9. Jahrhundert zurückgehende Burg. In der gut erhaltenen Festung kann man trepp-auf-trepp-ab Kilometer zurücklegen und von oben eine Rundumsicht in die herrliche Umgebung genießen. In den unteren Gewölben sorgt die Folterkammer – direkt neben der Küche – für Gänsehaut.
Rustikale Restauration mit Herz für Chiliheads
Zum Essen muss man aber nicht extra die kurvenreiche Strecke hinunter nach Bardi fahren – Maurizio und Luisa sind hervorragende Köche und bewirten gerne ihre Hausgäste, aber auch größere Gruppen. Bei einem der inzwischen legendären sommerlichen Chili-Dinner „cena piccante“ waren wir auf der überdachten Terasse 52 Scharfesser aus sechs Ländern. Klar, dass (nicht nur) dann mit Chilis auch dekoriert wird…
Im Bild unten ein Chilihead-Treffen in kleinerem Rahmen mit „Pope of Peppers“ Dave DeWitt und und Gattin Mary Jane, Chilizüchter Mario DaDomo, seiner spanischen Partnerin Manuela und einigen unserer italienischen Chili-Freunde.
Natürlich haben Maurizio und Luisa Hilfe, aber sie kochen nicht nur, sondern servieren auch selbst. Was auf den Tisch kommt, stammt größtenteils aus der eigenen Landwirtschaft.
Wenn’s so lecker riecht, steckt Berner Sennehund „Heidi“ schon mal neugierig ihren Kopf in die Tür. Weiter darf sie natürlich nicht…
Zu speziellen Anlässen wird „il forno“, der alte Steinofen draußen am Haus, mit Holz angefeuert. Hier bereitet Maurizio zum Beispiel eine Schweinekeule mit pikanter Soße zu – natürlich vom Tier aus eigener Zucht.
Peppig sind auf Wunsch auch die Kuchen bei Ca D’Alfieri. Luisa verflüssigt gute dunkle Schokolade für ihren herzhaften Chili-Schoko-Kuchen. Hier dazu das Rezept.
Und wo wir schon beim Backen sind… auch das Brot kommt bei Ca D’Alfieri aus dem eigenen Ofen. Zu speziellen Anlässen auch piccante, mit Peperoncino-Flocken durchsetzt. Nur wenige Spezialitäten in diesem Haus stehen nicht auch auch in einer Chilihead-kompatiblen Version zur Verfügung!
Ein Raum, der bisher noch unerwähnt blieb, ist die Cantina im Haus – hier lagern nicht nur edle Weine der Region, sondern auch luftgetrocknete Schinken, Salami, Pancetta und andere Spezialitäten von den eigenen Schwarzschweinen. Außerdem pikante Antipasti aus eigener Herstellung. All das findet seinen Weg auf den Tisch, sei es als Vorspeisengang oder zur Brotzeit/Vesper.
Da kann man ganz schön ins Träumen geraten!
Landwirtschaft, Bewirtung, Ladengeschäft, Fertigung – Wann Maurizio und Luisa das alles schaffen, ist uns manchmal unerklärlich. Dann wiederum fragen wir uns bisweilen, wie wir eigentlich ein Jahrzehnt lang Pepperworld und den kompletten Shop mit kleiner Mannschaft bewältigt haben. Eine kräftige Portion Idealismus gehört auf jeden Fall dazu.
Update 7/2014: Seit Jahresbeginn wohnen wir selbst in Italien. Mit kräftiger Unterstützung durch unsere Freunde Maurizio und Luisa zusammen die italienische Ausgabe von CHILI BARBECUE produziert, die im Juli 2014 in Mailand erschienen ist. Unsere Freunde haben wir dabei auf den Barbecue-Trip gebracht…
Das italienische CHILI BARBECUE Team: Harald, Renate, Luisa, Maurizio (und Heidi)
Wenn Sie unsere Freunde mal besuchen möchten oder an einem gemeinsamen Ausflug interessiert sind, mailen Sie uns doch einfach mal.
Ca‘ d’Alfieri. Loc. Predario 29, Bardi (PR)