Parma kann nicht nur Schinken
Bei der oberitalienischen Provinzhauptstadt Parma denkt wohl jeder zuerst an Käse, Schinken und Wurst. Die Auslagen der zahllosen Feinkostläden bersten unter den weltberühmten Spezialitäten; Parma und Umgebung gelten selbst bei den kulinarisch verwöhnten Italienern als eine Hochburg des guten Geschmacks. So gesehen verwundert es auch nicht, dass ausgerechnet hier ein Chili-Forschungsinstitut angesiedelt ist, denn die scharfen Schoten sind ein wichtiger Bestandtteil vieler italienischer Gerichte. Unser Chili-Freund Frank Neulichedl wohnt in Südtirol; was lag also näher als ihn zu bitten, für Pepperworld dort einmal vorbeizuschauen! Hier also sein Bericht vom Tag der offenen (Gewächshaus-)Tür!
Wie jeder Fan der scharfen Schoten weiß, gibt es eine Vielzahl an Sorten, die angebaut und verzehrt werden. Viele Menschen erfreuen sich auch an der Schönheit der Pflanzen, und so sind Zierpaprika zahlreich vertreten in allen Gärtnereien quer durch Europa. Meistens kommen diese aus den großen Gewächshausfabriken in Holland und sind zwar essbar, für den genussvollen Verzehr aber nicht so geeignet. Die „Azienda Agraria Sperimentale Stuard“ ist eines der wenigen Institute in Europa, und das einzige in Italien, das gezielte Forschung in diesem Bereich betreibt. Und nachdem in Italien der „Peperoncino“, so heißen die Chilis hier, zum kulinarischen Alltag gehört, ist der Genuss bei dieser Forschung nicht ausgeschlossen. Dr. Mario Dadomo, der Direktor der Versuchsanstalt, hat seiner Leidenschaft für Chilis seit mehr als 10 Jahren freien Lauf gelassen und eine Sammlung von über 1000 Sorten zusammengetragen, von denen jedes Jahr 400 angebaut werden. Dr. Dadomo versucht, über gezielte Kreuzungen neue Sorten mit spezifischen Eigenschaften zu züchten. Alles ohne Gen-Manipulation und streng nach biologischem Landbau. Hinzu kommt auch der Erhalt von traditionellen Sorten aus aller Welt.
Übersicht über das Versuchsfeld
Diese Forschungsaktivität, welche nicht die Hauptbeschäftigung des Instituts ist, wird nur zum Teil vom Institut selbst finanziert. Viel Arbeit von Freiwilligen ist notwendig und als kleine Finanzspritze veranstaltet die Anstalt zwei mal im Jahr einen Tag der offenen Tür, an dem man Pflänzchen kaufen kann. Besonders beim Termin im Mai findet man eine große Anzahl von Sorten, das letze mal über 200, darunter auch viele kulinarisch interessante (Habaneros, Jalapenos, Serranos, Gambia, usw.). Im Herbst dann kann man bei der Feldbesichtigung die Arbeit des Jahres bewundern und über 400 Sorten mit wenigen Schritten erkunden. Selten hat man die Möglichkeit, so viele verschiedene Sorten ausgewachsen an einem Platz zu sehen.
Eine Kreuzung, die noch nicht ganz so toll gelungen
ist; Teile der Blätter grün, Teile violett oder gemischt
Am 12. Oktober war es soweit — meine Freundin und ich setzten uns ins Auto und fuhren nach Parma. Nach leichten Orientierungsschwierigkeiten fanden wir die Forschungsanstalt Stuard, hinter den Stuard-Fußballplätzen, etwas außerhalb Parmas. Wie man richtig vermutet, kannte die Anstalt niemand, die Fußballplätze dafür umso besser . In Italien ist der Fußball halt doch noch wichtiger als der Peperoncino. Gerade rechtzeitig zur Führung fanden wir die Cascina (Bauernhof in der Poebene) und wurden von Dr. Dadomo in die Welt des Chilis entführt.
Klein aber oho: Reich tragende Mini-Pflanzen
im Gewächshaus; Anzucht-Container im Detail)
Während der Führung gab es einen interessanten Mix aus Sorteninformationen, Anbautipps und Grundinformationen zum Thema Chili. Nach einer Stunde Schlammwaten, es hatte etwas viel geregnet, führte man uns ins Gewächshaus. Erstaunlich für mich, dass die gerade mal 10 cm großen Pflänzchen schon eifrig Früchte trugen.
Rocotillo, 3 Jahre alt und mit außergewöhnlich großen Früchten (10 cm Durchmesser)
Reichtragende Pflanze mit außergewöhnlichem Farbwechsel von gelb nach braun
Frühtragende Pflanze, die schon alle Blätter verloren hat
Nachdem wir nun so viele schöne, manche auch nicht so schöne, Pflanzen gesehen haben, wollten wir natürlich auch was von den Früchten haben. Dazu bot sich der kleine Markt an, der hier aufgebaut war. Viele Gestecke und einzelne Früchte zahlreicher Sorten konnte man kaufen. Und es gab auch Pflänzchen, deren Erlös der Kinder-Krebsforschung zugute kam.
Der kleine Markt mit Ristras, Gestecken, Früchten und Pflanzen
Kleine Chili-Auswahl vom Marktstand. Sogar verschiedene
Chinense-Sorten wie Habanero, Gambia, usw. fehlten nicht
Reich bepackt und um einige nützliche Tipps reicher verließen wir das Gelände und gönnten uns noch einen Ausflug in die Stadt, aber das ist eine andere Geschichte.
Azienda Agraria Sperimentale Stuard
Strada Madonna dell’Aiuto, 7
I-43016 San Pancrazio Parma
In Teil 2 folgt ein Interview mit Dr. Mario Dadomo, dem Direktor der Versuchsanstalt .