Auf Chili-Jagd in China Teil 1
Story und Photos von Dr. Gerald Schmidt
Bekanntlich scheut Pepperworld weder Kosten noch Mühen, seine Auslands-Korrespondenten zu den entferntesten Plätzen dieser (Pepper-)Welt zu entsenden. Unser Chili-Kollege Gerald Schmidt hat sich in China umgeschaut, wo er nach seinem Studium Deutsch unterrichtet. Hier also ist Geralds erster Bericht nicht nur über China-Chili.
Manche Leute haben einfach komische Interessen. Mich zog es diese Winterferien an einige von Chinas bekanntesten Touristenorten: Haikou und Sanya auf Hainan; Kunming, Lijiang und Dali in Yunnan; Guilin, Longji und Xingping in Guangxi. Auf die Sehenswürdigkeiten verwendete ich aber nicht so viel Zeit. Vielmehr schweiften meine Augen über kleine Felder, Pflanzen in Steinritzen und über die Märkte, auf der Suche nach Anzeichen von Chili.
Chongqing La Zi Ji (Chili-Huhn Stir-Fry, Rezept siehe unten)
Chili in Chinas Küchen zu finden, dass muss man schon zugeben, ist nicht schwierig. Oft genug ist es genau umgekehrt: in einem Gericht wie La Zi Ji verstecken sich die Hühnerstücke geradezu unter einem Wust an angebratenen Chilistückchen (siehe Foto oben, Rezept am Ende des Artikels). Eine Jagd ist es dennoch: gerade weil Chilies so selbstverständlich verwendet werden ist es sehr schwierig, Details herauszufinden. Größere Felder mögen vielleicht gut aussehen, aber würden wahrscheinlich aus kommerziellem Saatgut gezogen. Was mich interessiert, das sind aber Landsorten, Varianten von Chili die zu bestimmten Lokalitäten gehören, von den Bauern aus dem eigenen Saatgut weitergezogen werden. Gerade diese „Sorten“ gehen mit der zunehmenden großbäuerlicher Produktion für den Markt leicht verloren. Damit verliert sich auch die Arbeit von Generationen an Farmern die ihre Pflanzen so gezogen haben, dass sie zu den lokalen Bedingungen passen und ihre Früchte dem lokalen Geschmack entsprechen.
1. Stop: Hainan. Es hat schon seinen Grund, wieso diese Insel auch als das Hawaii Chinas bekannt ist. In Sanya, in der Gegend um die Dadonghai-Bucht könnte man allerdings genau so gut vom Hawaii Russlands sprechen. So viele russische Schilder hatte ich letztes Jahr, in Lettland, kaum gesehen. Aber immerhin, der Strand war ganz nett. Chili-los, bis auf die Restaurants, aber ganz nett. Und der Grund wieso man Chili in den Restaurants fand, das war dummerweise der, dass Sichuan-Küche überall in China zu finden ist, und diese Küche ist nicht umsonst berühmt dafür, reichlich Gebrauch von Chili zu machen, sei es nun im bereits erwähnten La Zi Ji oder auch in einem simplen Gericht von Weißkraut, zubereitet mit kleinen ganzen Chilis. Übrigens ist es nicht das Ziel der Sichuan-Küche, den Essenden Feuer spucken zu lassen. Vielmehr geht es darum – wenn der Koch sich auf seine Arbeit versteht, dass mit verschiedenen Stärken und Arten scharfen Geschmacks gespielt würde. Zwischenstopp in Wuzhishan, im bergigen Inneren der Insel. Spaziergänge über Felder, aber kein Chili.
Haikou, die Provinzhauptstadt, lieferte die Rettung. Das Hostel in dem ich nächtigte war nicht wirklich nahe am Meer, und der Strand war ohnehin nicht gerade der polierte Badestrand von Sanya. Vielmehr wurde man von einem „Bitte hier nicht schwimmen“-Schild begrüsst (aber Chinesen gehen ohnehin nicht oft schwimmen). Ein lokaler Markt war allerdings ganz in der Nähe. Und der, der lieferte einiges an Chili. Interessanterweise auch eine Variante die offensichtlich zu Capsicum frutescens gehörte, also mit Tabasco verwandt wäre, und deren Schoten in einem nicht ganz reifen, hellgrün-orangefarbenen Zustand verkauft wurden. Etwas eigen, denn normalerweise werden Chilis in China entweder eindeutig unreif-grün oder reif-rot verkauft (und gerade was grün verkauft wird, das sind andere, größere Sorten). Die wahre Überraschung kam dann allerdings bei der Abreise: der Flughafen-Shop verkaufte Hainan Habanero. Es ist wohl hier, dass Chinas Habanero angebaut wird?! Zugegeben, Capsicum chinense ist ein neuer Import nach China – und eigentlich, angebaut für den Export, weil die weltweite Nachfrage danach stieg und Mexiko sie nicht mehr befriedigen konnte.
2. Stop: Yunnan. Diese Provinz ist weithin bekannt für ihre biologische und kulturelle Vielfalt, aber nicht gerade für ihr Chili. Kunming, die Hauptstadt, bot immerhin angenehme Temperaturen, der einzige rote Glanz von Chili war allerdings etwas Sauce auf Bratkartoffeln. Restaurants waren auch hier die Rettung: La Zi Ji liess sich auch hier finden, ebenso wie Streifen von Rindfleisch, gekocht mit sehr nett aussehenden, offenbar getrockneten roten Chilis. Eines der Highlights war in einem Dai-Restaurant (Dai sind eine von Chinas nationalen Minoritäten, berühmt für boluofan – Ananas-Reis), nämlich Fisch, gefüllt mit Zitronengras und anderen Gewürzen, mariniert unter anderem mit Chili und gegrillt… aber ein Markt der Chilis verkaufte liess sich in meiner Zeit dort nicht finden. Bald war es an der Zeit, weiter zu ziehen.
Gerald in einem kleinen Chili-Feld — Photo: Ellis Friedman
3. Stop: Lijiang. Eine wahre Touristenstadt, die Altstadt renoviert und restauriert (und mit WiFi-Zugang an den unwahrscheinlichsten Orten), umgeben von einer modernen chinesischen Stadt. Hier wurde die Sache wesentlich interessanter: Ein Ausflug führte mich auf einen Hügel, wo Besucher die dortige Pagode besichtigen und herab kam ich mit etwas Chili. Die Art, wie in China kleinste Flächen für Gemüseanbau genutzt werden ist einfach wunderbar. Wie in Haikou, so war auch hier zudem ein Markt in der Nähe. Frische Chilis wurden grün verkauft (nicht gut, um Samen zu sammeln). Getrocknetes Chili gab es säckeweise. Und auch Sichuanpfeffer fand sich, interessanterweise getrennt in zwei verschiedene Varianten. Ein „Aha“ gab es auch inmitten der Altstadt: Boutiquen mit Souvenirs, Bars, Restaurants für Touristen verbargen einen ähnlich kleinen Laden. Der aber verkaufte weder Textilien noch Bijoux, sonder vielmehr war darin eine Frau der Naxi-Minorität eifrig damit beschäftigt, rote Chilischoten kleizuschneiden und einzulegen um typische lokale Chilisauce herzustellen.
Chilischoten am Freiluft-Trocknen in Dali
4. Stop: Dali. Ich muss leider zugeben, dass ich diese Stadt nicht mochte. Angebaut, und auf jeden Fall angeboten, wird hier nämlich genug – alle paar Schritte kam wieder ein älteres Muttchen mit der Frage, ob man etwas Ganja wolle. Scheint ganz so, als wäre der Hippie-Trail hier noch wohlauf. Was das Chili angeht war Dali allerdings interessant. In die eine Richtung ging es einen Berg hinauf, vorbei an den Drei Pagoden für die zu viel an Eintritt zu zahlen gewesen wäre – und prompt auch vorbei, an etwas Chili das am Wegrand zum Trocknen ausgebreitet war. Nennt mich einen Dieb, aber ein paar wenige davon landeten in meiner Tasche. (Anm. der Red: Wir verstehen das, Gerald).
Grüne Chilis vor einem Restaurant
Viele der lokalen Restaurants nutzen keine Speisekarte, sondern man wählt das Essen – besser gesagt, die Zutaten – aus zahlreichen Dingen die vom Eingang auf den Gehsteig hinaus ausgebreitet sind: Fisch, Schnecken, Insektenlarven, Pilze, alle möglichen Blattgemüse und darüber aufgehängter Speck. Unter diesen möglichen Ingredienzien fanden sich auch Chilis, einer Sorte die dem japanischen Ishii-Midori sehr ähnlich sieht: dünnwandig, hellgrün, runzelig. Die mussten natürlich probiert werden. Zubereitet wurden sie mit einer Art Pilz (deren viele in der chinesischen Küche verwendet werden, ganz besonders in Yunnan). Wie sich herausstellte, waren es Chilis mit einer gehörigen Schärfe und ausgezeichnetem Geschmack. Und ein Markt fand sich auch hier, und war auch hier ein Grund zur Freude: Es fanden sich die eben erwähnten Chilis, ebenso wie eine lange, dunkelgrün genutzte Sorte. Nicht nur das, sondern hier fand sich Chilipulver zusammen mit den Maschinen, welche verwendet wurden um das Chili zu mahlen (eigentlich: stampfen). Entdeckungen, die manche Leute vergnügen….
Falls sich jemand inzwischen wundert, wieso hier keine Namen für die Chilis genannt werden: zum Teil liegt das an meiner Scheu, meine eingeschränkten Chinesischkenntnisse zu nutzen, es ist aber auch üblich, dass die Chilis keine besonderen Namen haben. Nur allzu oft warden sie bloss beschrieben, als grün oder rot, lang oder kurz, breit oder schmal. Warnungen darüber, dass gewisse Chilis gefährlich scharf sind, werden auch gerne gegeben, aber damit hat es sich.
Chilis und andere Gewürze auf einem Straßenmarkt
5. Stop: Guilin und Umgebung.
Die Gegend ist berühmt für ihre Karsthügel, den (Li-) Fluss der sich dazwischen hindurchwindet und die Kormoran-Fischer mit ihren Bambusflößen. Für mich war Guilin schon darum ein essentieller Stop, weil Guilin-Chilisauce geradezu zu meinen Grundnahrungsmitteln zählt. Die erste Zeit allerdings liessen sich nur Gläser ebendieser finden, was man in anderen Städten ebenso gut kann.
Ein kleiner Ausflug nach Longji, der Heimat der berühmten Reisterrassen-Landschaft Chinas, erwies sich als sehr aufschlussreich: schon auf dem Weg wurde vom Tourguide auf Chilinutzung hingewiesen: „sie werden eine Menge Chili sehen… die Einheimischen halten sich im Winter dadurch warm, dass sie ‚heiss‘ essen.“ Und eine weitere Freude des Chilijägers: es war nicht nötig, einen Beutel getrockneten Chilis zu kaufen, das genauso gut von anderswo kommen oder so heiss getrocknet sein könnte, dass man daraus keine nutzbaren Samen mehr gewinnen könnte. Am Weg, auf einem handtuchgrossen Fleckchen Erde in der Steinmauer, da fand sich nämlich noch ein Überbleibsel einer Chilipflanze mitsamt einiger Schoten – wieder etwas für die Sammlung.
6. Stop: Xingping, ein kleiner Ort auf der Route am Fluss. Die Karstlandschaft, welche auf der chinesischen 20-Yuan Banknote zu sehen ist, die ist hier im Original zu finden. Dafür fand sich auf den Feldern kein Chili, aber es war bald nach der Ankunft Markttag. Insbesondere eine Art von Chili das von einer alten Frau verkauft wurde erregte meine Aufmerksamkeit: im Gegensatz zu den meisten Sorten hatte dieses zwar kurze, aber vergleichsweise große und vor allem breiterer Früchte. Für die Einheimischen gab das eine ziemliche Show ab, wie der Ausländer dahockt um mit einer alten Dame zu sprechen und ihr eine Handvoll Chili abzukaufen. Am Weg zurück, das zig-ste Mal entlang einer Strasse, bemerkte ich endlich einen Flecken Erde an etwas erhöhter Stelle und darin, wie schon in Longji, übriggebliebenen Chilipflanzen. Wieder sollten einige in meiner Tasche landen.
7. Stop: Guilin, am letzten Tag: Ein gutes Ende, noch einmal ein Markt. Und was für einer: Chili frisch, getrocknet, sauer eingelegt; im ganzen oder als Pulver, grün oder reif. Eingelegte Chilis, die kleingehackt wurden, um Sauce zu ergeben; einige reife frische Schoten, die mit mir nach Hause kamen und gleich mal am Balkon getrocknet wurden. Hätte ich jetzt noch etwas Land für ein kleines Beet, ich würde wohl gleich noch einmal für Verwirrung sorgen… aber was soll’s, wenn es für eine gute, feurige Sache ist?
- Rindfleisch-Streifen mit scharfem Chili (siehe Bild)
- Chongqing La Zi Ji (Chili-Huhn Stir-Fry) (Bild ganz oben)
- Rotes Chili-Öl
Weiter gehts dann in Teil 2 mit Chinesischer Alltagsküche und vielen Rezepten!
2 Comments
Marc Erdmann
Mich würden hier wirklich die Chili Sorten interessieren da diese ja nicht extrem scharf sind. Sonst könnte man das Hühnchen ja kaum essen. Und ich habe es oft gegessen!! Kann ich diese Chili Samen hier kaufen?
Danke im Voraus!
Marc
Günter Schaub
Bei der Sorte handelt es sich um die Facing Heaven, die wir leider im Augenblick nicht führen.
Alternativ dazu wäre die Thunder Mountain Longhorn zu nennen. Sie stammt auch aus China, hat eine mittlere Schärfe und wird im Augenblick von uns als Pflanze angeboten.