In unserer Reihe „Scharfe Typen“ stellen wir Persönlichkeiten vor, die die Chili- und Fiery-Foods-Szene mitgeprägt haben oder einfach bereichern. Heute: „Insane Dave“ alias Dave Hirschkop.
Mehr als 120 Jahre lang gab’s wenig Wahl für Hot-Sauce-Fans: Im wesentlichen dominierte eine Marke – die bekannte rote Tabasco® Red Pepper Sauce aus Louisiana. Vor immerhin rund 80 Jahren kam die ebenfalls recht populäre Crystal Hot Sauce dazu. Weitere Vertreter dieser Gattung folgten, aber alle waren sich in Schärfe, Aroma und Konsistenz doch irgendwie ähnlich. Erst in den 1980er Jahren schwappten karibische Soßen in die USA und lösten eine neue Welle scharfer Soßen aus – erheblich feurigere Kreationen auf Habanero-Basis, dickflüssiger und mit aufregenden neuen Geschmacksrichtungen wie zum Beispiel Mango. Mitte der 90er kam dann ein weiterer Trend dazu, die sogenannten Super Hot Sauces. „Erfunden“ wurde diese Kategorie der verschärften Art von einem jungen Mann namens Dave Hirschkop, heute den meisten besser bekannt als „Insane Dave“.
Die Rausschmeisser-Soße
Anfang der 90er betrieb Dave im Universitätsstädtchen College Park (US-Bundesstaat Maryland) ein kleines Restaurant namens Burrito Madness. Jeden Abend hatte er das Problem, dass alkoholisierte Studenten, die längst im Bett liegen sollten, einfach nicht gehen wollten, denn der Imbiß war gemütlich und beheizt, das Essen preiswert: Tacos und Burritos mit allerlei leckeren Soßen (damals noch der milderen Art).
Eher zufällig entdeckte Dave eines Tages in einem Laden ein Fläschchen mit einem „Würzzusatz“ namens Capsicum Oleoresin – hochkonzentrierter Chili-Extrakt, mit dem man so ziemlich alles rattenscharf bekommt. „Das ist es“, dachte sich Dave. „Wenn ich den Jungs zu später Stunde eine einfach unerträglich scharfe Soße zu ihren Burritos reiche, werden sie sich schnell verabschieden“.
Zuerst funktionierte das auch, aber nur für kurze Zeit. Dann kamen die „gebrannten Kinder“ zurück und wollten mehr von Dave’s Super-Soße. Irgendjemand meinte, Dave müsse verrückt sein, eine derartig scharfe Soße zu brauen. So kam Dave, der schon immer einen guten Sinn fürs Geschäft hatte, auf die Idee, die Wahnsinns-Soße auf Flaschen zu ziehen: „Dave’s Insanity“ war geboren. Die feurigen Fläschchen verkauften sich demaßen gut, dass Dave 1993 sein Restaurant schloss, nach San Francisco zog und sich mit der neu gegründeten Firma „Dave’s Gourmet“ voll auf die Insanity-Produktion konzentrierte. So eine neue Firma verschlingt erst einmal viel Geld an Startup-Kosten; als zweites Standbein war Dave daher zunächst auch noch als Hypotheken-Makler tätig.
Selbst rausgeflogen…
Dank Mund-zu-Mund-Werbung brauchte Mr. Hirschkop sich keine Sorgen um steigende Absatzzahlen zu machen, und den Immobilien-Job konnte er schnell an den Nagel hängen. Um das Geschäft noch weiter anzukurbeln, buchte er ein Jahr später einen Stand auf der Fiery-Foods Show, der Fachmesse für alles, was scharf ist (in jugendfreien Sinne). In eine Zwangsjacke geschnürt und mit irrem Blick ließ Dave Besucher recht großzügig von der Hot Sauce mit der bisher ungekannten Schärfe probieren. Prompt hagelte es Beschwerden, sodaß die Firma Dave’s Gourmet für den Rest der Veranstaltung von der feurigen Messe ausgeschlossen wurde.
Der „Patient“ und seine Betreuerin
((= Dave’s nette Gattin Paige) anno 1996.
Damals trafen wir die beiden auf einer
Food Show in New Orleans.
Das ging natürlich wie ein Lauffeuer durch die Presse und die Chilihead-Gemeinde – eine bessere Werbung hätte sich der pfiffige Dave nicht wünschen können, und die Verkaufzahlen explodierten förmlich. Seit diesem Vorfall durften Extrakt-Soßen auf nachfolgenden Fiery-Foods Shows nur noch auf der Spitze von Zahnstochern zum Probieren gereicht werden (und Dave durfte auch wieder mitmachen).
Wie nicht anders zu erwarten, rief der Erfolg des auf Flaschen gezogenen Wahnsinns natürlich auch Mitbewerber auf den Plan, und plötzlich gab es superscharfe Soßen wie Endorphin Rush, Holy Shit!, Crazy Jerry’s Brain Damage, Pain 100% und noch so einige mehr. Was die Schärfe anging, setzte sogar ein richtiges Wettrüsten ein. Eine brandneue Produkt-Kategorie etablierte sich: „Superhot Sauces“.
Der Wahnsinn hat Methode
Dave ruhte sich natürlich nicht auf seinen Lorbeeren aus. Vielmehr baute er auf den riesigen Erfolg seiner Insanity Sauce und brachte weitere Irrsinns-Produkte auf den Markt: Dave’s Insanity Salsa zum Beispiel. Auf dem Etikett steht natürlich in aller Bescheidenheit: „The Hottest Salsa in the Universe“ – da könnte was dran sein, denn dank einer heftigen Portion superscharfer Red Savina-, Habanero- und Thai-Chilis ist sie deutlich feuriger als alles, was bisher so zum Dippen mit Chips angeboten wurde. Auch bei den Streugewürzen mischte Dave den Markt auf: Dave’s Insanity Spice besteht aus Red-Savina-Flocken, und als ob diese allein nicht schmerzhaft scharf genug wären, wurden sie zusätzlich noch mit hochkonzentriertem Chili-Extrakt behandelt. Dann folgten ein chilischarfer Senf („Hurtin‘ Habanero & Honey Mustard„) und scharfe Oliven mit Chili-Füllung („Olives in Pain„). Viele von Dave’s peppigen Produkten sind übrigens im Pepperworld Hot Shop erhältlich – im Produktsuche-Feld einfachinsanity eingeben. Und seine Kreationen sind keineswegs „nur“ scharf: Zum Beispiel holte Dave’s Hurtin‘ Habanero and Honey Mustard 2003 zum dritten Mal hintereinander die Goldmedaille der Worldwide Mustard Competition im noblen Napa Valley in Kalifornien.
Eine wahnsinning scharfe (Produkt-)Familie
Ein wahnsinning guter Koch
Was nur wenige wissen: „Insane Dave“ ist auch ein ausgezeichneter Koch, und ironischerweise sogar einer der Celebrity Chefs, die bei Kochvorführungen auf der Fiery-Foods Show regelmäßig ihr Können demonstrieren. So verwundert es auch nicht, dass Dave im Frühjahr 2003 sein eigenes Kochbuch herausgegeben hat. Titel: Crazy from the Heat. Meinereiner ist stolz, das Cover-Foto dazu beigesteuert zu haben, aufgenommen auf der Fiery Foods Show im Jahr davor (siehe ganz oben). Dave präsentiert um die hundert Rezepte aus aller Welt. Seine Kreationen wie „Kung Fu Chicken“, „Acid Fish“ und „Kamikaze Rolls“ sind allerdings nicht ganz so gefährlich, wie die Namen vermuten lassen.
„Insane Dave“ mit
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Trifft man Dave persönlich, überrascht er durch seine ruhige, bescheidene Art. Trotz seines Erfolgs und seines selbst ersonnenen Rufs ist er erstaunlich „normal“ geblieben. Man spürt auch, dass er laufend an neuen Ideen tüftelt. Irgendwann im November 2003 will er zum Beispiel seine Original-Zwangsjacke, die er die letzten 10 Jahre auf Shows getragen hat, auf Ebay versteigern – für einen guten Zweck, und zwar für die American Cancer Society. Die Auktion soll 10 Tage laufen, und soviel steht schon fest: Das Teil wird nicht billig wegggehen.
Update April 2004: Auch ohne Zwangsjacke bleibt Insane Dave verrückt:
Am 6. Juni wird er in die San Fancisco Bay springen und 2,5 km von der ehemaligen Knacki-Insel Alcatraz nach San Francisco schwimmen. Der Clou: Das Wasser in der Bucht von SF ist nicht nur ganzjährig eiskalt, sondern es gibt dort nach wie vor Haie, die vermutlich schon diversen Alcatraz-Flüchtlingen zum Verhängnis wurden. Das Ganze wird einem guten Zweck dienen, nämlich um Geld zu sammeln für die Leukemia and Lymphoma Society.
Hoffentlich überlebt Insane Dave das Abenteuer, denn garantiert hat er auch in Zukunft noch eine Menge „wahnsinniger“ Ideen auf Lager…
Update 2008: Dave hat’s damals überlebt. Und um sicher zu gehen, dass er auch in Zukunft kulinarische Höhepunkte ersinnen kann, ist seine Zunge jetzt bei Lloyd’s of London für 1 Million US-Dollar versichert!
Da sollte er am besten nicht zuviel von seiner neuesten Kreation konsumieren: Die alljährliche limitierte Sammler-Edition der Dave’s Insanity Private Reserve Hot Sauce ist in ihrer 2008er Ausgabe dem ‚Ghost Pepper‘ alias Bhut Jolokia gewidmet. Dieser zusammen mit einer heftigen Dosis Chili-Extrakt machen der Zunge mächtig Feuer.