Reiche Ernte durch Urban Farming: Feldbestellung in der Großstadt
Selbstversorger sein oder werden in städtisch geprägten Gebieten, Ackerbau betreiben, vielleicht sogar Hühner und Schafe halten: In immer mehr Städten gewinnen Acker-und Gartenbauprojekte mitten im Stadtgebiet an Bedeutung. Mehr als bei allen anderen „grünen“ Gardening-Bewegungen stehen bei den Stadtfarmern landwirtschaftliche Nutzungsaspekte im Vordergrund. Ihnen geht es um wesentlich mehr, als nur um den Anbau von Gemüse für den Eigenbedarf.
Was unterscheidet Urban Farming von anderen Formen des Gärtnerns in der Stadt?
Öffentliche Stadtgärten, Flächen in der City, an denen Guerilla Gardening als spezielle Form des Protests gegen Betonwüsten praktiziert wird, oder grüne Nachbarschaftsinitiativen – es gibt viele Möglichkeiten, das Stadtleben naturnaher zu gestalten und sich gemeinschaftlich als Gärtner zu betätigen. Stadtfarmer gehen aber noch einen entscheidenden Schritt weiter, denn sie betreiben nicht nur innerstädtischen Gemüseanbau für den Eigenbedarf, sondern mehr oder weniger großflächigen Ackerbau für den regionalen Bedarf – oftmals verbunden mit Nutztierhaltung. Von der Chili-Farm in der Innenstadt über den Kartoffelacker am Stadtrand oder Plantscrapers (vertikale Landwirtschaft) bis zu Bauernhöfen mit Feldern und Wiesen am Grüngürtel ist alles möglich. Im Unterschied zum großstädtischen Gardening verkaufen Farmer ihre Produkte auch, das heißt, sie verbinden mit der Lebensmittelproduktion meist einen kommerziellen Nutzen.
Seit wann gibt es Stadtfarmer und Ackerbau in der Stadt?
Menschen bauten schon immer ihre Lebensmittel in der Nähe ihres Wohnorts an. Vor Beginn des Industriezeitalters im 19. Jahrhundert hatten selbst die größten Städte eine weitaus geringere Einwohnerzahl als heute. Bauernhöfe in der Umgebung versorgten die Städter mit Nutzpflanzen, Fleisch, Milch und Eiern. Der massenhafte Umzug in die Städte brachte es mit sich, dass die Städte wuchsen. Die Stadtgrenzen wurden erweitert, als die Einwohnerzahl rapide anstieg. Es wurde zunehmend schwieriger, alle Menschen mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Bauern, die stadtnah Land besaßen, stellten die Versorgung mit frischen Nahrungsmitteln sicher. Sie legten die Felder zwar meist nicht in der Stadt selbst an, aber doch nah genug, um die Region auch mit verderblichen Naturalien beliefern zu können. Häufig blieben im Stadtgebiet auch Teile mit einem dörflichen Charakter bestehen, Hofschaften mit Klein- und Mittelvieh und bewirtschafteten Ackerflächen. Dies waren die Vorläufer moderner Stadtfarmen: Lebensmittel wurden in direkter Nähe zu den Verbrauchern angebaut und hergestellt. Bereits im Jahr 1898 entstand die Gartenstadtbewegung. Im Zuge der Globalisierung veränderten Kühlungssysteme und schnelle Transportmittel den Umgang mit Nahrungsmitteln. Kein Transportweg schien zu weit zu sein, und keine Frucht zu exotisch. In den vergangenen vier Jahrzehnten setzte allerdings allmählich ein Umdenken zur regionalen Versorgung und zum nachhaltigen Konsum ein, teilweise inspiriert durch das mehr als 100 Jahre alte Vorbild der Gartenstadt.
Was sind die Ziele und Visionen zukunftsorientierter Farmer im städtischen Raum?
Ohne innerstädtische hochmoderne Farmen wird es zukünftig nicht mehr auf nachhaltigem Wege möglich sein, die Allgemeinheit in den weltweiten Ballungsgebieten zu ernähren. Längst hat die Weltbevölkerung die 7-Milliarden-Marke überschritten, und die Hälfte dieser mehr als 7 Milliarden Erdbewohner lebt in Metropolen, Großstädten und Städten. Bis zum Jahr 2050 wird eine Zahl von 9,5 Milliarden Menschen prognostiziert. Will man diese ungeheure Menge vor dem Hunger bewahren, reicht die derzeit landwirtschaftlich nutzbare Fläche bei Weitem nicht aus. Um die Ernährung zu sichern, bedarf es daher auf alle Fälle alternativer Flächen und Räume für Gartenbauer und Landwirte.
Welche kreativen neuen Wege der Landwirtschaft gehen Stadtfarmer?
In Deutschland gibt es etliche gute Beispiele für Kreativität und visionäre Planungen: Dies können Hausdächer sein, Aquakulturen, Permakultur und andere unkonventionelle Konzepte. So entstanden beispielsweise in Berlin großflächige Dachgärten für Gemüse- und Fischzucht. Dabei dient der Fischkot gleichzeitig als Pflanzendünger für Gurken, Tomaten und andere Gemüsesorten. Auch in Paris dienen Flachdächer dazu, Salat anzubauen. Noch nicht praxiserprobt, aber bereits in Deutschland und Holland im Gespräch ist die „vertikale“ Schweinezucht in Hochhäusern. Diese Vision innovativer Agrarwirtschaft hat jedoch mindestens so viele Gegner wie Befürworter. Innerstädtische Farmen müssen übrigens gar nicht immer riesige Dimensionen haben: Beim Mini-Farming verwischen die Grenzen zwischen Stadtfarmern und Stadtgärtnern.
Wie werde ich zum Stadtfarmer? 5 Tipps zum Erfolg
- Eine wichtige Voraussetzung ist, dass du dich mit Acker- und Gartenbau entweder bereits gut auskennst, oder bereit bist, dir das Wissen darüber anzueignen. Viele Gründer kommerzieller Stadtfarmen kommen aus dem landwirtschaftlichen Bereich, andere betreiben ihre Farmen in kleinerem Stil vorrangig aus Enthusiasmus.
- Suche virtuellen und persönlichen Kontakt zu Gleichgesinnten, die sich für ein Farmprojekt in der Stadt begeistern lassen. Vernetze dich, schaue dir Praxisbeispiele in deiner Stadt oder in Nachbarstädten an und sprich mit Menschen, die bereits Erfahrungen im Bereich der nachhaltigen Stadtentwicklung und lokalen Lebensmittelherstellung sammeln konnten.
- Eine Farm lässt sich kaum nebenberuflich wirtschaftlich erfolgreich betreiben. Überlege also, ob du tatsächlich bereit und finanziell in der Lage bist, dich als Stadtfarmer selbstständig zu machen. Dass es gelingen kann, voll auf grüne Stadtprojekte zu setzen, beweisen Start-ups wie „Urbanacker“ in Berlin oder die größte europäische Aquaponik-Stadtfarm ECF-Farmsystems, die als Container-Pilotprojekt startete und heute durch die Kombination aus Gemüseanbau und Fischzucht beachtliche Erträge bringt.
- Informiere dich über die vielfältigen Möglichkeiten, die sich Stadtfarmern bieten, und suche dir deine Nische. Du kannst beispielsweise im städtischen Raum Fischzucht, Hühnerzucht, Imkerei und Nutzpflanzenanbau betreiben. Klassische Pflanzen sind beispielsweise Kartoffeln, Tomaten, Kräuter, Paprika und Erdbeeren.
- Fang doch einfach als Chili-Farmer an! So sammelst du erste Erfahrungen und merkst, ob du dir ein Farmprojekt mit Gemüse & Co in größerem Stil tatsächlich vorstellen kannst.