Zum Selbstversorger mit Balkongemüse: Urban Gardening für den eigenen Bedarf
Gärtnerglück mitten in der deutschen Großstadt? Aber ja doch, Selbstversorgung mit Obst und Gemüse liegt voll im Trend, auch ohne eigenes Gartenbeet. Geerntet wird dann eben auf dem Balkon, und das nicht erst, seit Anglizismen wie Urban Gardening, Vertical Gardening und Guerilla Gardening in Deutschland zum hippen Vokabular gehören. Natürlich lassen sich auf einer kleinen Balkonfläche nicht wirklich alle Gemüse- und Obstsorten in der für eine reine Selbstversorgung ausreichenden Menge anbauen. Aber für dein Lieblingsgemüse, ein paar Kräuter, scharfe Chilipflanzen und vitaminreiche Beeren- und Obstsnacks ist der Stadtbalkon allemal gut geeignet.
Was ist „Balkongemüse“ und seit wann gibt es diese Wortschöpfung?
Über Jahrhunderte schmückten Balkone fast ausschließlich Paläste und Villen, nicht aber die Häuser des einfachen Volkes. Balkongärten für weniger gut situierte Bürger kamen erst in Mode, nachdem durch die zunehmende Industrialisierung die Urbanisierung begann. Große Teile der Landbevölkerung zogen in die Städte, um dort zu arbeiten. Die Wohnsituation dort war extrem beengt und besserte sich in Deutschland erst, als zu Beginn des 19. Jahrhunderts neue Arbeiterviertel erbaut wurden. Die nun vielfach mit kleinen Balkonen ausgestatteten Wohnungen sollten zur „Volksgesundheit“ beitragen. Begrünt wurden die Freisitze zumeist nur mit dekorativ blühenden Pflanzen in Blumenkästen. Wenn Menschen ihre Balkone in den Kriegs- und Nachkriegsjahren zum Gemüseanbau nutzten, dann war dies schlicht eine Notwendigkeit. Die Wortbildung Balkongemüse kam jedoch erst im Zusammenhang mit dem urbanen Gärtnern in der Stadt auf, das nicht der Not geschuldet war. Heute wird Balkongemüse nicht angebaut, weil Nahrung knapp ist, sondern weil Menschen sich mit der Ernte aus dem Garten auf dem Balkon bewusst gesund ernähren möchten.
Welche Gemüsesorten eignen sich besonders gut als Balkongemüse?
Alle Gemüsearten, die in Kästen, Kübeln und Töpfen gedeihen, lassen sich theoretisch auch auf dem Balkon ziehen. Besonders ertragreich ist Fruchtgemüse. Dazu gehören neben den häufig im Garten anzutreffenden Paprika, Tomatenpflanzen, Zucchini und Auberginen auch Kürbisse, Gurken, Melonen, Hülsenfrüchte und Okraschoten. Für die Topfkultur auf dem Balkon solltest du dich auf eher kleinwüchsige Sorten beschränken, für Kürbis und Melone reicht der Platz wohl nur in Ausnahmefällen. Auch Kohlrabi, diverse Schnittsalate, Kräuter und Gewürze lassen sich gut auf dem Balkon kultivieren. Die Faustregel lautet: Alles, was schnell wächst und keine riesige Fläche beansprucht, kann dir als Balkongemüse eine gute Ernte bringen. Und sogar Äpfel und Birnen kannst du ernten: Spezielle Säulenobstbäume machen es möglich. Erfolgsfaktoren sind aber auch dein Wohnort und die Ausrichtung deines Balkons. Auf einem frei nach Süden ausgerichteten Balkon in München gedeihen selbstredend andere Pflanzen als auf einem schattigen Hinterhofbalkon in Berlin. Keine Scheu vor „Versuch und Irrtum“: So findest du am besten die Sorten heraus, die auf deinem Balkon super wachsen.
Selber aussäen oder Jungpflanzen großziehen: Was hat mehr Aussicht auf Erfolg?
Als Balkongarten-Greenhorn bist du mit Komplett-Anzucht-Sets gut beraten, weil darin wirklich alles enthalten ist, was du für den Start als aktiver Pepperweltler brauchst – inklusive Saatgut, Anleitung und kompostierbarem Pflanztopf. Ob Tomaten, Basilikum, Paprika oder Kirsch-Chili: Geeigneter Standort und gute Pflege vorausgesetzt, sind diese Sets Garanten für erste schnelle Erfolgserlebnisse mit Balkongemüse. Geduld ist nicht gerade deine Stärke und die Wartezeit auf das Keimen des Saatguts schreckt dich ab? Dann sind vorgezogene Gemüsejungpflanzen eine praktische Alternative. Diese sind ab dem Frühjahr in Gärtnereien und Gartenfachmärkten erhältlich. Aber Achtung, oft werden schon ab März frostempfindliche Arten angeboten, die ein zu frühes Auspflanzen nicht vertragen. Nur wenige Gemüsearten können schon im März gepflanzt werden, im Zweifelsfall lieber bis Mitte Mai warten: Erst nach den Eisheiligen bist du auf der sicheren Seite.
Balkongemüse anbauen: Muss der Vermieter um Erlaubnis gefragt werden?
Wenn es nur um ein paar Krautertöpfe und kleine Gemüsepflanzen geht, brauchst du als Mieter den Wohnungseigentümer nicht extra um seine Einwilligung bitten. Anders sieht es aus, wenn du beim Gemüseanbau in etwas größeren Dimensionen denkst, vielleicht sogar in Richtung Urban Gardening. Ein Balkongarten mit üppiger Bepflanzung und entsprechend vielen großvolumigen, mit Erde gefüllten Gefäßen kann es auf ein Gewicht bringen, das besondere bauliche Voraussetzungen erfordert. In diesem Fall solltest du das Thema gezielt ansprechen und abklären, ob die Tragkraft des Balkons (inklusive Geländer!) deinen gärtnerischen Ambitionen gewachsen ist. Aus Sicherheitsgründen befestige alle Wandkonstruktionen und Pflanzgefäße, damit sie auch starken Windböen Stand halten.
Welche Gartentipps sollten Gemüsefreunde beim Anbau von Balkongemüse beachten?
Ob dein Balkon winzig ist oder relativ viel Platz bietet: Wenn du die zur Verfügung stehende Fläche auch nach oben hin geschickt ausnutzt, ist die Grundfläche fast unerheblich. Mit etwas Kreativität kannst du auch auf einem Minibalkon erfolgreich gärtnern!
1. Wenn du bislang deinen Balkon im Hinblick auf die dekorative „Außenansicht“ gestaltet hast, musst du für Balkongemüse umdenken. Es ist nicht wichtig, deinen Nachbarn einen schönen Ausblick auf deine Blumenpracht zu gewähren, sondern das Gestaltungskonzept muss unter praktischen Aspekten nach innen gelenkt werden.
2. Die besten Voraussetzungen für reichen und vielfältigen Ertrag bringen nach Süden ausgerichtete Balkone mit, die du je nach Gemüseart auch teilweise mit einem „Naturdach“ aus sonnenhungrigen Ampelpflanzen beschatten kannst. Wenn dein Balkon eine weniger sonnige Ausrichtung hat, weiche auf Gemüsesorten aus, die im Schatten optimal gedeihen.
3. Naturgemäß steht auf dem Balkon nur eine recht kleine Anbaufläche zur Verfügung. Auch die Bodentiefe ist knapp bemessen, weswegen sich Flach- und Mittelwurzler besser eignen als Tiefwurzler.
4. Beschränke dich anfangs auf wenige Gemüse-, Beeren- und Obstarten, zum Beispiel Tomaten, Erdbeeren und Kiwis – vielleicht in Kombination mit robusten Küchenkräutern. Ein Gartentagebuch hilft dir dabei, Beobachtungen über das Gedeihen der unterschiedlichen Gemüsepflanzen festzuhalten.
5. Keine Pflanze mag das Gießen in der Mittagshitze. Im Sommer ist trotzdem ausreichendes Wässern oberste Pflicht, idealerweise morgens und abends.
Urban Gardening: Hier wächst Balkongemüse für jedermann!
Sogar ohne eigenen Balkon kannst du dich in fast jeder größeren Stadt gärtnerisch betätigen. Dafür musst du noch nicht einmal Mitglied im Schrebergartenverein werden. Erkundige sich einfach, wo es gemeinschaftlich betriebene Stadtgärten in deiner Nähe gibt. Das können öffentlich zugängliche Dachgärten sein, aber auch andere Flächen in der Stadt, die zum Ackerland für Obst und Gemüse umfunktioniert werden. Einen Gesamtüberblick über urbane Gemeinschaftsgärten und unterschiedlichste moderne Gartenformen bietet beispielsweise die Garten-Datenbank von Anstiftung.de. [http://anstiftung.de/urbane-gaerten/gaerten-im-ueberblick]