Szechuan Pfeffer, das edle Gewürz aus dem Herzen des Reichs der Mitte
Die aktuell knapp 82 Millionen Einwohner der zentralchinesischen Provinz Sichuan sind nicht nur zu Recht stolz auf den nach ihrer Heimat benannten und wegen seiner feinen Aromen weltberühmten Szechuan Pfeffer. Auch die traditionsreiche, landesweit beliebte und anerkannt sehr vielseitige Regionalküche, welcher die vier Grundeigenschaften frisch, scharf, heiß und wohlduftend zugeschrieben werden, genießt in China den Ruf, eine der vier Säulen der chinesischen Küche überhaupt zu sein. Unter den Gewürzen spielen hierbei speziell die Samenkapseln der Pflanzen der Gattung Zanthoxylum aus der Familie Rutaceae (Rautengewächse) eine große Rolle: Der in Gerichten und Gewürzmischungen aus Sichuan wie etwa im typischen „Fünf-Gewürze-Pulver“, in der scharfen Mala-Soße und im Feuertopf „Huoguo“ unverzichtbare Szechuan Pfeffer wird aus den getrockneten, gerunzelten sowie rotbraunen bis schwarzen Samenkapseln von Zanthoxylum piperitum, Zanthoxylum simulans und Zanthoxylum schinifolium hergestellt. Verwandt mit den Zitruspflanzen (Citrus), aber nicht mit den Pfeffergewächsen (Piperaceae), handelt es sich bei Szechuan Pfeffer also nicht um „echten Pfeffer“ (Piper nigrum). Nichtsdestotrotz wird das global beliebte Gewürz heute in ganz Asien und besonders in Zentralchina, der Himalajaregion, in Tibet sowie in Japan und Korea angebaut und verwendet.
Chemische und neurologische Prozesse sorgen für einzigartigen Geschmack
Szechuan Pfeffer trägt je nach Land, Region und Herkunft unterschiedliche Beinamen und Bezeichnungen, so ist er auch unter den Synonymen Anispfeffer, Blumen-, Blüten-, Berg- oder Gewürzpfeffer und Zitronenpfeffer sowie chinesischer, japanischer, indonesischer oder nepalesischer Pfeffer in Fachgeschäften und Onlineshops zu finden. Nach übereinstimmender Meinung meist begeisterter Konsumenten und Köche verdankt Szechuan Pfeffer seine große Popularität hauptsächlich den fein ausgeprägten und komplex miteinander harmonierenden Aromen. Als wichtigsten Eigenschaften werden häufig das frische Zitrusaroma sowie ein leichtes Prickeln mit kurzer, aber angenehmer Taubheit im Mund, vergleichbar mit derjenigen nach dem Konsum kohlensäurehaltiger Getränke, genannt. Dieser interessante Effekt von Szechuan Pfeffer ist vorwiegend den bis zu 3 % chemischen Amiden in seinen Samenkapseln geschuldet, welche direkt auf die Fortsätze der Nervenzellen (Afferenten) wirken. Im Englischen wird diese in der Gattung Zanthoxylum generell vorkommende und vom japanischen Namen für Szechuan Pfeffer „sanshool“ abgeleitete Substanz „Hydroxy alpha sanshool“ (2-Hydroxyisobutylamin) genannt. Szechuan Pfeffer als Produkt der Pflanze Zanthoxylum verfügt auch über das Lignan Sesamin, welches aus medizinischer Sicht der Prophylaxe von Herz-Kreislauferkrankungen und anderen chronischen Erkrankungen dienen kann.
Ob am Meer oder im Hochgebirge: Szechuan Pfeffer wird in ganz Asien geliebt
[su_pullquote]Szechuan Pfeffer ist eines der wenigen Gewürze, welches im Himalaya-Gebirge wächst[/su_pullquote] Außer in der Sonne getrocknet werden Szechuan Pfeffer bzw. dessen Blätter, Blüten und Früchte auch frisch bzw. unreif verwendet, so in den japanischen Würzpasten „Kinome“ und „Misansho“, die oft als Garnierung auf Suppen oder bei der Zubereitung von Fisch zum Einsatz kommen. In China selbst sind ein mit Szechuan Pfeffer, braunem Zucker und Ingwer gemischtes Öl für scharfe Nudelgerichte sowie die Gewürzmischung „Hua jiao yan“ aus Salz und Szechuan Pfeffer als Soßenbasis für Huhn, Ente und Schwein weitverbreitet. Die indonesische Landesküche „Batak“ nutzt das mit Szechuan Pfeffer eng verwandte Gewürz Andaliman (Zanthoxylum acanthopodium) gemeinsam mit Chilis und Kräutern als Grundstoff für die scharfe Soße „Sambal tinombur“ für gegrilltes Schwein und gekochten Karpfen. Eine Spezialität aus der Region Tapanuli im Norden Sumatras ist etwa „Arsik“, Karpfen oder Red Snapper mit Andaliman, Ingwer, Schalotten, Knoblauch, Kurkumawurzel und Chili. Einen besonderen Stellenwert besitzt Szechuan Pfeffer auch im Hochgebirge Himalaja, da dort wegen des ungünstigen Klimas und der großen Höhe nur wenige Gewürze und Pflanzen wachsen. Ein typisches Gericht in Bhutan, Nepal und Tibet mit Szechuan Pfeffer ist zum Beispiel „Momo“: Mit Maultaschen, Ravioli oder Pelmeni vergleichbare gedämpfte Teigtaschen mit Füllungen aus Gemüse und/oder Hühner-, Schweine- oder Ziegenfleisch, die meist in bzw. mit einer Brühe oder Tomatensuppe serviert werden.
Grill, Pfanne, Topf oder Flasche: Sezchuan Pfeffer macht den feinen Unterschied
Weitere typische Speisen und Gerichte aus dem asiatischen Raum, die ohne das begehrte Gewürz geradezu undenkbar wären, sind beispielsweise in Scheiben geschnittenes und kurz gebratenes Lammfleisch mit Gemüsepaprika, Chilis und geröstetem Szechuan Pfeffer („sanjiao bao yangrou“) aus China, eingelegtes Gemüse („tsukemono“), gegrilltes bzw. geschmortes Rindfleisch oder Geflügel („teriyaki“) sowie Meeresfrüchte, Algen oder Fleisch in Sojasoße und Szechuan Pfeffer („tsukudani“) aus Japan. Von dort, genauer gesagt aus der Gegend von Kyoto am Mount Kurama, einem bekannten Anbaugebiet für Szechuan Pfeffer, stammen auch in Sojasoße und mit ganzen Szechuan-Samenkapseln gekochte Sardinen („chirimen jako“). In europäischen Küchen hat sich Sezchuan Pfeffer im Laufe der letzten Jahre ebenfalls stabil etabliert. In unseren Breitengraden findet man ihn vorwiegend in Pfeffermischungen für die Gewürzmühle, Dips, Soßen, Marinaden, Beizen und Fonds sowie in Brühen und Suppen. Wie in seiner ursprünglichen Heimat wird er auch hierzulande gerne als Gewürz für gegrilltes Geflügel, Kalb, Lamm, Rind und Schwein eingesetzt. Szechuan Pfeffer passt auch gut zu Hülsenfrüchten wie Erbsen und Linsen sowie zu Karotten, Kürbis, Mangold und Weißkraut. Ein kleiner Geheimtipp für die Verfeinerung eines heimischen Gemüses mit dem edlen Pfeffer ist Selleriepüree, ebenso können Obstsalate mit Melone, Nektarine oder Pfirsich sowie Schokoladendesserts, Pralinen und süßer Likör mit dem exotischen Zitrusgeschmack interessant ergänzt werden.
Szechuan Pfeffer ist nicht nur lecker, sondern auch gut für die inneren Organe
In der Diätetik (Ernährungslehre) der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) nimmt Szechuan Pfeffer ebenfalls eine gewichtige Rolle ein, die in den Samen, Früchten und Blättern der Art Zanthoxylum piperitum nachgewiesenen Antioxidantien werden vornehmlich zur Behandlung von Verdauungsstörungen und Bekämpfung von Parasiten verwendet. In Kombination mit anderen Arzneien heilt Szechuan Pfeffer auch Magen- und Bauchschmerzen sowie Brechreiz, er wirkt recht effektiv als Wurmmittel, sollte jedoch nicht während der Schwangerschaft eingenommen werden. Wie allgemein in der TCM üblich, werden auch dem Szechuan Pfeffer bestimmte Organe zugeschrieben, für deren reibungslose Funktion er am nützlichsten sein soll. Das Gewürz soll guten Einfluss auf Milz und Nieren haben, Feuchtigkeit vertreiben, Kälte zerstreuen, Blähungen lösen, den Magen stärken, wassertreibend wirken und ganz allgemein den Körper von innen wärmen. In Japan wird Szechuan Pfeffer als natürliches Antidot gegen Fischvergiftungen geschätzt. Ungeachtet der aus westlicher Sicht mitunter esoterisch anmutenden Erklärungsversuche ist jedoch mittlerweile wissenschaftlich eindeutig erwiesen, dass zahlreiche der insgesamt rund 250 verschiedenen Zanthoxylum-Arten tatsächlich über einige durchaus interessante und gesundheitsförderliche Inhaltsstoffe enthalten. Dazu zählen in erster Linie Alkamide zur Stärkung des Immunsystems, früher als Antibiotika verwandte Amide sowie die bei der Behandlung von Parkinson und Hirnhautentzündungen hilfreichen Alkaloide.
In Nordamerika war Szechuan Pfeffer als ungebetener Gast lange Zeit unerwünscht
Weniger vom erwiesenermaßen gesundheitlichen Nutzen, als vielmehr von potenziellen biologischen Gefahren des Szechuan Pfeffers für die einheimische Botanik war man jedoch über Jahrzehnte in den USA überzeugt. Zwischen 1968 und 2003 war die Einfuhr des Gewürzes ähnlich wie diejenige des rosa Pfeffers (Brasilianischer Pfefferbaum) seit 1981 dort strikt untersagt. Mit der Verbotsmaßnahme sollte vor allem die befürchtete Ausbreitung der durch gramnegative Bakterien der Gattung Xanthomonas verursachte und bisher nicht kurierbare sog. „Zitronenpest“ eingedämmt werden, von der fatale Folgen für die Zitrus- und Orangenindustrie in Florida und Kalifornien befürchtet wurden. Nach der Aufhebung der Einschränkungen durch die Gesundheits- und Landwirtschaftsbehörden darf Szechuan Pfeffer heute inzwischen wieder in die USA eingeführt werden, muss aber nachweislich vorher auf ca. 70 °C erhitzt worden sein. In Europa und Deutschland teilte und teilt man die grundsätzlichen Bedenken bezüglich der Pflanzengattung Zanthoxylum nicht, hier werden die Pflanzen seit einigen Jahren gerne auch als Zierpflanzen in der Form kleiner Bonsai-Bäume gestaltet und immer häufiger an Hobbygärtner verkauft. Grundsätzlich handelt es sich bei Szechuan Pfeffer um eine recht robuste Pflanze, die sich durchaus auch für den heimischen Garten eignet, so denn einige Ratschläge für Pflege und Aufzucht beachtet werden.
Zanthoxylum-Pflanzen überleben mit etwas Pflege auch kalte europäische Winter
So bevorzugt Zanthoxylum piperitum einen hellen Standort, jedoch außerhalb der direkten Sonneneinstrahlung, im Sommer stellt man ihn am besten in den Halbschatten. In der heißen Jahreszeit benötigt Szechuan Pfeffer ausreichend Wasser, Staunässe sollte aber tunlichst vermieden werden. In ausreichend durchlässigem Substrat etwa aus zwei Teilen Humus und einem Teil Lavagranulat sollte der Pfeffer-Bonsai nach Möglichkeit durchdringend gewässert werden, sobald die erste Erdschicht anfängt zu trocknen. Die empfohlene Düngung erfolgt wöchentlich während der Wachstumsphase zwischen Frühjahr und Herbst. Auf das Drahten kann bei der Gestaltung des Pfefferbaumes häufig verzichtet werden, stattdessen sorgen geeigneter Schnitt und eventuelles Abspannen der Äste und Zweige für die weitere Entwicklung der gewünschten Form. Die Zweige sollte man wachsen lassen, bis sie vier oder mehr Blätter tragen und dann auf zwei bis drei Blätter kürzen. Ein Blattschnitt ist im Allgemeinen nicht notwendig, ein Wurzelschnitt wird jedoch in der Regel gut vertragen. Vergleichbare floristische Hinweise gelten auch für andere Arten von diesbezüglichen Rautengewächsen, allerdings zeichnet sich etwa Zanthoxylum simulans durch eine erstaunlich hohe Frosttoleranz von bis zu -20°C aus.
Richtige Lagerung macht Szechuan Pfeffer ein Jahr lang haltbar und genießbar
Wer hingegen weniger seinem „grünen Daumen“, sondern eher seinen Kochkünsten vertraut, kann Szechuan Pfeffer natürlich auch ganz bequem im Fachhandel erwerben oder mit wenigen Klicks online bestellen. Bei der Aufbewahrung und Verwendung in der Küche sollten lediglich einige grundlegende Ratschläge beherzigt werden, um das sehr flüchtige Aroma von Szechuan Pfeffer vor dem schädlichen Kontakt mit Sauerstoff zu schützen. Am besten bewahrt man die Samenkapseln also trocken und kühl sowie vor Luft und Licht geschützt auf, auf diese Weise behält er seinen feinen Geschmack bis zu einem Jahr lang. Szechuan Pfeffer kann wie schwarzer Pfeffer im Ganzen, gemahlen oder im Mörser zerstoßen verwendet werden, höchste Intensität erlangt er, wenn man ihn erst kurz vor der Verwendung mahlt oder mörsert. Bei Rezepten mit ganzen Pfefferkörnern lässt man diese in einem Einweg-Teebeutel die letzten 5 Minuten der Garzeit mitziehen und entfernt sie dann vor dem Servieren. Als besonders intensives und ergiebiges Gewürz kann Szechuan Pfeffer recht sparsam eingesetzt werden, wenige Samenkapseln sind meist ausreichend. Optimales Aroma entfaltet er bei kalter Zubereitung oder bei nur milder Hitze unterm Siedepunkt, zu langes Kochen verträgt das empfindliche Gewürz eher nicht so gut. Szechuan Pfeffer kann in der Gewürzmühle gut mit anderen Pfeffersorten kombiniert werden, mit Chili, Galgant, Ingwer, Knoblauch und Zitronengras harmoniert er ebenfalls ganz hervorragend.
10 Comments
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JHW
Von wegen nicht winterhart….unserer überlebt im Freiland den norddeutschen Winter!
Bei Interesse könnt Ihr Euch ja mal melden.
bernhard
Servus,
ich habe mir heute 25 Szechuan Pfeffer Pflanzen gekauft und bin auf deinen 2017er Kommentar gestossen. Hast du die Pflanzen noch im Freiland und bringen die auch wirklich eine Ernte? Ich wäre über jeden Tipp zur Pflanzung und Kulturpflege dankbar. Liebe Grüße Bernhard
Barbara
Hallo Bernhard,
Meine Szechuanpflanze habe ich vor ca. 8Jahren direkt ins Freiland gepflanzt. Die Pflanze ist sehr anspruchslos, was Boden … betrifft.
Seid ca. 4Jahren wird geerntet. Vorigen Sonntag war Erntezeit, ca. 2Wochen lass ich Kapseln noch trocknen bzw. Sortiere ich dann Hülse von Samenkorn.
Lg Barbara
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BB
Auch wir haben eine (!) Pflanze gekauft, im dritten Jahr ein Strauch von fast 2m, wir ernten seit dem zweiten Jahr, winterhart ist sie. Steht direkt am Haus und wird im Winter mit etwas Reisig geschützt. Hat echt große Stacheln, wie Rosen, nur größer.
Ich habe erst Anfang November geerntet und trenne gerade Samen von den Hülsen, den die Samen haben keinen Geschmack und machen das Gewürz sandig.
Jürgen
Szechuan-Pfefferbäume halten auch Frost aus … wie sollten diese Bäume im Himalaya sonst überleben ;o). Unser Baum hält die kalten Winter seit vielen Jahren aus.
Günter Schaub
Du hast Recht, Jürgen. Ich habe das entsprechend korrigiert.
Mein Szechuan steht auch schon seit Jahren im Winter draußen.
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