Jenseits von scharf Chili-Extrakt DIY
Hartgesottene Chili-Fans kennen die Extrem-Soßen, deren Capsaicin-Gehalt oft im sechstelligen Scoville-Bereich liegt, selbst Mega-Scoville-„Soßen“ sind heute keine Seltenheit mehr. Erreicht wird dies durch die Zugabe vom Chili-Extrakt, denn nur durch Verwendung scharfer Chilis ist bei ca. 30,000 bis 70,000 Scoville-Einheiten das Ende der Fahnenstange erreicht – letztlich werden auch noch andere Zutaten benötigt (insbesondere Essig), die die Schärfe verwässern.
Zum Aufpeppen wird den Extrem-Soßen eine kräftige Portion scharfen Chili-Extrakts (Capsicum Oleoresin) hinzugefügt, dessen Scoville-Einheiten meist im Millionenbereich liegen. Mit der Konzentration steigt allerdings auch der Preis. Das Extrakt wird meist in Indien hergestellt, und bisweilen auch in Afrika. Dort wird dafür der legendäre Birdeye Chili verwendet, denn diese Sorte ist ertragreich und enthält relativ viel Capsaicin.
Wie extrahiert man nun den Scharfmacher aus den Chilis, dazu noch so hoch konzentriert? Man bedient sich der Tatsache, dass sich die fettlöslichen Capsaicin-Verbindungen mit Lösungsmitteln, zum Beispiel Alkohol, „herauswaschen“ lassen. Anschließend muss dann noch das Lösungsmittel entfernt werden.
Der geneigte Chilihead fragt sich natürlich, ob man solch einen Extrakt nicht auch selbst herstellen kann. Man kann! Gleich vorweg: Der Extrakt ist sehr scharf, er schmeckt bitter und die Ausbeute ist gering. Trotzdem ist es für extreme Chiliheads womöglich interessant, die Extrakt-Herstellung selbst einmal durchgeführt zu haben.
Wichtig: Die nachfolgend beschriebene Extrakt-Herstellung sollte nicht von Kindern durchgeführt werden. Außerdem ist es wichtig, eine Schutzbrille sowie Schutzhandschuhe zu tragen. Die Herstellung geschieht ausdrücklich auf eigene Gefahr.
Schritt 1: Benötigte Zutaten und Zubehör
Zutaten für unseren Chili-Extrakt
- Scharfe Chilis – hier bieten sich die afrikanischen Birdeye Chilis an, die es im Pepperworld Hot Shop zu kaufen gibt. Für unser Experiment verwenden wir eine 35g-Packung. Sie können natürlich auch Ihre eigene getrocknete Ernte beliebiger scharfer Chilis verwenden.
- Möglichst hochprozentigen reinen Alkohol, und zwar Äthylalkohol (d.h. keinenBrennspiritus o. ä., denn dieser ist dieser ist jedoch vergällt und somit ungenießbar gemacht), vorzugsweise mindestens 95%ig. Am besten in der Apotheke besorgen – teuer, aber sicher. Wir benötigen 100 ml, aber am besten kaufen Sie etwas mehr.
- Ein sauberes Marmeladenglas mit gut dichtendem Deckel.
- Schutzbrille, Haushaltshandschuhe.
Schritt 2: Ansetzen der Mischung
Chili-Alkohol-Mischung
- Zerschneiden Sie jede Chili-Schote mindestens einmal, damit der Alkohol gut eindringen kann (Schutzhandschuhe!).
- Füllen Sie die zerkleinerten Schoten in das Glas und gießen Sie sie mit 100 ml Alkohol auf, sodaß sie völlig bedeckt sind (notfalls etwas mehr Alkohol verwenden).
- Lassen Sie die Mischung für mindestens 1 Woche stehen und schütteln Sie sie alle paar Tage gut durch. Je mehr Chili-Extrakt aus den Schoten gelöst wird, um so dunkler färbt sich der Alkohol.
Schritt 3: Abgießen der Extraktlösung
Filtern der Extraktlösung
- Benötigte Utensilien: Teesieb, hitzebeständige Schüssel und ein Kochtopf, in den diese Schüssel als Wasserbad passt. Dazu zwei Topflappen, und natürlich wieder Schutzbrille und -handschuhe.
- Schütten Sie den Inhalt des Glases durch ein feines Teesieb in die Schüssel; gut abtropfen lassen.
Schritt 4: Erhitzen der Lösung im Wasserbad
Extraktlösung im Wasserbad
- Füllen Sie gerade soviel Wasser in den Topf, dass die Schüssel darin eintaucht, ohne das Wasser zum Überlaufen zu bringen. Auch darf beim Kochen kein Wasser in die Schüssel laufen.
- Bringen Sie das Wasser vorsichtig zum Kochen und bleiben sie in der Nähe.
ACHTUNG: Schalten Sie den Dunstabzug auf höchste Stufe und/oder öffnen Sie das Küchenfenster. Da hochprozentiger Alkohol verdampft, nicht rauchen! Nicht auf Gasherd oder bei sonstigem offenen Feuer durchführen – Brandgefahr!
Schritt 5: Eindampfen des Extraktes
Sobald das Wasser siedet, können sie zusehen, wie der Alkohol verdampft (in der Industrie wird er natürlich zur Wiederverwendung aufgefangen).
Da der Siedepunkt des Alkohols erheblich niedriger liegt als der von Capsaicin, erhöht sich jetzt die Capsaicin-Konzentration (und damit der Scoville-Wert) erheblich.
Eingedampfte Extraktlösung
Außerdem wird die verbleibende Flüssigkeit zusehends dickflüssiger.
- Nehmen Sie die Schüssel aus dem Wasserbad (Topflappen!), solange der Boden noch mit Extraktflüssigkeit bedeckt ist. Achtung – diesen Moment verpasst man schnell!
- Schaben Sie mit einem Küchenspachtel oder Plastiklöffel den wertvollen angesetzten Extrakt von der Schüsselwand in die Flüssigkeit; notfalls mit ein wenig Alhohol nachhelfen.
- Herzlichen Glückwunsch: Sie haben jetzt ziemlich hochkonzentrierten Chili-Extrakt!
Achtung: Vom Probieren des puren Extraktes kann man eigentlich nur abraten. Falls Sie es entgegen unserer Warnung trotzdem tun wollen: Tauchen sie allenfalls die Spitze eines Zahnstochers ein! (So probieren übrigens Profis Super-Hot Sauces).
Schritt 6: Extrakt verwenden oder abfüllen
Unsere „Ausbeute“: Hochprozentiger Chili-Extrakt
- Sofern Sie gerade Hot Sauce kochen, können Sie nun Ihren Extrakt hinzufügen.
- Andernfalls füllen Sie die Flüssigkeit in ein kleines gut verschließbares Glasgefäß.
- Schüsseln und Geräte mit heissem Seifenwasser gründlich spülen (Haushaltshandschuhe auch hier ratsam).
Achtung: Gefäß deutlich beschriften und kindersicher aufbewahren.
Fazit:
Wie man sieht, ist unsere Ausbeute volumenmässig nicht sehr aufregend, aber der Extrakt hat es in sich. Auch wenn die industrielle Herstellung effizienter abläuft: Der hohe Aufwand und die relativ geringe Ausbeute sind der Grund, weshalb hochprozentiger Chili-Extrakt extrem teuer ist.
Trotz eines „Wettrüstens“ in der Hot-Sauce-Branche macht es zum Glück wenig Sinn, in Soßen mit extrem hohen Scoville-Werten zu investieren: Der „Brenneffekt“ geht irgendwann in die Sättigung, sodass es keinen großen Unterschied macht, ob der Rachen von 100.000 Scoville-Einheiten raucht, oder von 1,5 Millionen. Der unvermeidliche bittere Eigengeschmack des Extraktes überdeckt schnell die übrigen Zutaten, und einen Unterschied spürt man praktisch nur noch in der Brieftasche. Zudem besteht bei sehrt stark konzentrierten Extrakten die Gefahr, dass sich auch Enerwünschtes stark – womöglich sogar zu stark – konzentiert, insbesondere Pestizide und Aflatoxine (gefährliches Schimmelpilzgift), sofern in der Rohware vorhanden. Im Herbst 2011 gab es wegen extremer Schärfe (und fehlender Kindersicherung) sogar vereinzelt Rückrufaktionen.
Zudem lässt sich heute durch Chili-Sorten wie Bhut Jolokia anständige Schärfe auch ohne Extrakte erzielen.
Fazit: Das Herstellen des Extraktes ist sicher sehr lehrreich, zeigt aber auch, dass man zum genussvollen Schärfen und Würzen mit einer ausgewogenen Hot Sauce besser bedient ist als mit „hartem“ Extrakt.
Von wirtschaftlicher Bedeutung sind derlei Extrakte für die Herstellung von Pepper Spray, schädlingsabweisenden Bootsfarben u.v.a.
Text und Bilder von Harald Zoschke
4 Comments
VKT
Hallo und danke für diese klasse Anleitung. ich habe vor mir etwas Extrakt zu machen da ich Berufsbedingt mit chillis zu tun habe und gern ein wenig Experimentieren möchte.
Nun bleibt mir die Frage offen Wielange dieses Extrakt denn ungefähr haltbar wäre und wie ich es am besten lagere?. Oder sollte man es am besten gleich weiterverarbeiten?
Alexander
Wenn sauber gearbeitet wird dürfte es eigentlich gekühlt eine gut Weile halten. Wir kennen das von Extrakt Soßen die auch eher Unkaputtbar sind.
John
Hallo, ich bin gerade dabei, ein solches Extrakt herzustellen (fange den Alkohol sogar wieder auf). Meine Problem ist folgendes, das Extrakt im Endzustand ist ja recht zäh und klebrig, in der Form kann ich es nicht gebrauchen. Ich möchte es etwas flüssiger haben (nicht viel, nur damit man es einfacher portionieren kann). Nun würde ich ungern noch Alkohol drin lassen, kann man den bedenkenlos gegen Wasser, Essig, oder Öl tauschen oder ändert das was an der Haltbarkeit?
Marion
Hallo John, in Wasser wird sich dein Extrakt nicht lösen. Verschiedene Öle wären zum Verdünnen möglich. Alkohol ist natürlich als Konservierungsstoff besser, bei Öl sollte man gut aufpassen, dass man sauber mit dem Extrakt umgeht.